Stuttgart hat einen S21-Akzeptierer gewählt

Der Sieg Fritz Kuhns wird in der Presse vielfach als „historischer Sieg“ gewertet. Historisch deshalb, weil es erstmals ein Grüner an die Rathausspitze einer deutschen Großstadt geschafft hat. Die Grünen seien in der „Mitte der Gesellschaft“ angekommen, das „sogenannte bürgerliche Lager“ aus CDU, FDP und Freien Wählern hätten eine schwere Niederlage eingesteckt, die nun endlich auch personelle Konsequenzen haben müsse. Übersehen wird dabei all zu oft, dass Schuster sowohl vor acht als auch vor 16 Jahren nur ins Amt kam, weil sich die Mehrheit der Grünen- und SPD-Wähler nicht auf einen Kandidaten einigen konnte. Eine Mehrheit hatte das „sogenannte bürgerliche Lager“ in Stuttgart schon lange nicht mehr.

Neben dieser allgemeinen Analyse ist interessant, was die Wahl von Fritz Kuhn nun für S21 und die Bürgerbewegung bedeutet. Bezeichnend war eine Aussage von Fritz Kuhn in der Landesschau, die nichts gutes erahnen lässt. Auf die Frage, ob die Stadt bei erhöhten Kosten für S21 auch mehr zahlen würde, antwortete Fritz Kuhn politisch schwammig: „Ich bin der Meinung, dass Stuttgart nicht mehr zahlen kann.“ Er sagte nicht „nein“. Für Fritz Kuhn scheinen also selbst Mehrkosten kein Tabu zu sein, wenn er nur der Meinung ist und keine klare Antwort gibt. Kuhn wird sich nun nicht mehr nur auf das Ergebnis der Volksabstimmung zurückziehen, sondern auch auf sein Wahlergebnis und darauf, dass er vor der Wahl immer gesagt habe, dass er Stuttgart21 bauen werde, auch wenn er persönlich S21 für falsch hält.

Ich befürchte, dass Fritz Kuhn den OB-Sessel als kommodes Vorruhestandspolster nutzt und sich in den kommenden acht Jahren inhaltlich nicht besonders aufreiben wird – und schon gar nicht in Sachen S21. Er wird sich um die wirklich wichtigen Fragen herumwinden, wie er es ja schon lange macht. Er wurde von den Bahnhofsgegnern immer als „kleineres Übel“ bezeichnet und von vielen auch als solches gewählt – aus lauter Angst vor Turner. Umso befremdlicher war für mich, wie ausschweifend viele Bahnhofsgegner die Wahl eines Übels, das Stuttgart21 bauen wird, gefeiert haben.

Wir, die Bürgerbewegung gegen Stuttgart21, haben bei der OB-Wahl mit Fritz Kuhn keinen Sieg errungen, das sollte uns klar sein. Und genau deshalb ist es umso wichtiger, dass wir weiterhin auf die Straße gehen und dafür kämpfen, dass endlich die Vernunft und das Gemeinwohl siegen und nicht Lobbypolitik und die wirtschaftlichen Interessen einiger weniger.

Oben bleiben!

Dieser Beitrag wurde unter OB-Wahl 2012, Stuttgart21 abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

28 Antworten zu Stuttgart hat einen S21-Akzeptierer gewählt

  1. Peter Gruber schreibt:

    Ich hab ihn (Kuhn) nicht gewählt, und ich hab ihn auch nicht gefeiert. Ich geb aber zu, ich war erleichtert, dass Turner es NICHT wurde. Insofern ist es wohl so wie Dorats schreibt:
    „Ich hatte allerdings das Gefühl, dass die meisten gefeiert haben, weil Turner NICHT OB wurde.“
    Wahrscheinlich trifft das zu. Und wahrscheinlich ist auch, dass viele bald verkatert sind. Ich glaube daran, dass der MurkS21 irgendwann strandet. Wie Angela Pastor denke ich, dass dieser schmerzvolle zerstörerische Weg nun wohl gegangen werden muß. Wozu auch immer. Aber anscheinend brauchen wir das. Aber nicht nur wir, auch die Befürworter,auch die Betreiber, auch die aus der Ferne zuschauenden, alle jene vor allem, die immer noch glauben, es ginge alles immer so weiter. Die Zeichen der Zeit sagen was anderes.
    Wer Ohren hat der höre, wer Augen hat der erkenne.
    Amen.

Kommentare sind geschlossen.