Nachhilfestunde für den ehrbaren Kaufmann

Im Radio hört man es in jeder SWR-Nachrichtensendung, in den Stuttgarter Zeitungen steht es aktuell fast in jedem Artikel, unkommentiert und unhinterfragt, als Zitat getarnt und doch schlichtweg falsch!

Grube: „‚Wir stehen zu Stuttgart 21.‘ Ein Ausstieg sei schon rechtlich nicht möglich, die Bahn habe eine Ausführungsverpflichtung.“  (StZ)

Man muss kein Jurist sein, um zu wissen, dass Verträge nie „alternativlos“ sind. Ein Ausstieg aus einem Vertrag ist immer möglich, unabhängig davon, ob ein solcher Ausstieg im Vertrag selbst festgelegt ist oder nicht. Es gibt einige Gründe, die das BGB vorsieht, um aus einem Vertrag auszusteigen, das muss nicht extra im Vertrag geregelt sein. Und Grube weiß das! Und dennoch wiederholt er die Lüge ein ums andere Mal, dass ein Ausstieg aus S21 nicht möglich sei. Und die Medien lassen ihn kritiklos diese Lügen verbreiten.

§313 Absatz 3 BGB besagt klar, dass bei einer Störung der Geschäftsgrundlage ein Rücktritt von einem Vertrag möglich ist. Wenn bei S21 die Geschäftsgrundlage nicht gestört sein sollte, muss man sich fragen, wie überhaupt eine Störung aussehen könnte, auf die dieser Paragraf zutrifft.

§323 BGB beschreibt das Rücktrittsrecht wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung. Auch hier gäbe Ansatzpunkte genug, um die Vertragsgrundlage von S21 in Zweifel zu ziehen bzw. um aus dem Vertrag auszusteigen.

Zugegeben, diese Möglichkeiten stehen vor allem Bund, Land und Stadt offen, aber auch die Bahn hätte Möglichkeiten genug, aus S21 auszusteigen. Und sei es, dass sie darum bittet, die Verträge in gegenseitigem Einvernehmen aufzulösen. Das ist nämlich immer möglich.

Bestimmt sind die Verträge, auf denen S21 basiert, keine einfachen Verträge, sondern höchst komplex und für Laien unverständlich. Und bestimmt lassen sich die Verträge nicht so einfach kündigen, wie hier dargestellt. Sicher ist auch, dass natürlich jede Vertragspartei versuchen wird, ihre Interessen durchzusetzen und ihren Vorteil bei einem Ausstieg zu suchen – und das natürlich auch juristisch, so dass lange Rechtsstreitigkeiten bei einem nicht einvernehmlichen Ausstieg aus S21 vorhersehbar sind. Aber: es ist eine schlichte Lüge, wenn Grube behauptet, ein Ausstieg aus den Verträgen sei nicht möglich!

Schmiedels Aussage von Schadenersatzforderungen von 3 Mrd. Euro schlägt in dieselbe Lügenkerbe, wobei er ja durch diese Äußerung implizit noch zugibt, dass ein Ausstieg möglich sei – nur eben zu immens hohen Kosten. Dabei geht bei einem Ausstieg erst einmal gar nicht um Schadensersatz, sondern um entgangenen Gewinn. Wenn der Gewinn der an dem Projekt beteiligten Unternehmen tatsächlich 3 Mrd. Euro betragen sollte, sollten wir uns nicht wundern, wenn S21 erst recht unbezahlbar ist.

Der Rückzug auf das Ergebnis der Volksabstimmung und einer quasi daraus erwachsenden demokratischen Verpflichtung S21 zu bauen, ist unredlich und infam, basierte doch die Volksabstimmung auf Prämissen, die spätestens mit der aktuellen Kostendiskussion hinfällig sind (wobei die meisten Prämissen wie Kostentransparenz nie eingehalten wurden!)

Bleiben wir gespannt, wie die Bahn sich heute S21 schönrechnet und wo sie neben den 900 Mio. Euro, die sie ja bereits vor zwei Jahren angeblich eingespart hat, weitere Millionen einsparen will. Sicher ist: die Bahn wird uns wieder für dumm verkaufen und uns weiß machen, dass zum Beispiel durch eine neue Projektstruktur alleine schon Millionen einzusparen seien.

Ich sage nur: Lügenpack!

Oben bleiben!

P.S. Wer den ganzen Wahnsinn noch einmal Revue passieren lassen will, kann das mit dieser kleinen, hervorragenden und aktuellen Chronologie tun.

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3 Antworten zu Nachhilfestunde für den ehrbaren Kaufmann

  1. Ganz lügt ja Herr Grube nicht. Er hat schon eine Ausführungsverpflichtung
    nicht wegen dem Vertrag als solchem, sondern wegen:

    Image
    Seinem Boni, seiner Vertagsverlängerung
    Seinen Aktionären (Bund)
    Der Rückzahlung an die Stadt Stuttgart
    Bundesregierung (insbesonders Frau Dr. Merkel)
    Den Bauunternehmer die gültige Verträge
    abgeschlossen haben (oder vielleicht schon Tunnelbohrmaschinen hergestellt haben).
    usw.

    „Wer mit dem Feuer spielt kommt darin um“

    -> leider sind das nach derzeitigen Brandschutzkonzept eher die Bahnkunden

  2. horstosius schreibt:

    einen wunderschönen guten Morgen (Dr.e.h.) Zwuckelmann…….
    nun ihr Schlußsatz Lügenpack ist zwar abgedroschen, handelt es sich doch um ein Phänomen unsrer Zeit der kurzen aber honorigen Beine. Lügen ist in. Wird durch Ehrendoktoren und Ehrensenatoren und Ehrensold und.und. doch allerorten das Spannende dem Mop aufgetischt. Den Aufmüpfigen sozusagen.
    Mich würde es nicht wundern, wenn die erste OB-Amtshandlung unseres noch ehrenwerten F.Kuhn die Verleihung der grünen Ehrennadel in Gold an Dr. Grube, die grüne Ehrennadel in Silber an Fraktionstyp Schmiedel und die grüne Ehrennadel in Bronce an Staatsrätin Erler verliehen würde. Denn alle drei haben sich neben AltOB Dr.Schuster große Verdienste für die
    Spaltung der Gesellschaft in Stuttgart verdient gemacht. Das muss geehrt werden, handelte es sich doch neues Spielfeld auszuprobieren. Bis zu welchem Punkt es möglich ist, einer Bevölkerung mit derem eigenen Geld, dieses in S21 umgewandelt, als persönliches Geschenk zu offerieren.
    Das muß man erst mal können. Leistung muß honoriert werden.
    Die Verleihung findet unter Beobachtung des Verfassungsschutzes an einem geheimen Ort statt.

    Lügenpack, na bitteschön.

  3. Br. Etzel schreibt:

    Naja, wenn man dann die Kaufmannslügen anfängt aufzulisten – und das wäre doch mal eine ehrenwerte Aufgabe, nicht wahr? – dann hier die zweite:
    Im Spiegel 38/2010 (online: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-73892382.html) lässt Der Koofmich folgendes los:
    SPIEGEL: Gibt es eine einzige Zahl zu Stuttgart 21, auf die Sie sich beide einigen können?
    Grube: Ich halte gern meine Hand hin und sage das im Namen aller Projektpartner: Lasst uns an einen Tisch setzen, lasst uns gemeinsam die Experten anhören. Die Wahrheit muss endlich auf den Tisch.
    Hermann: Da nehme ich Sie gern beim Wort. Ihre hohen Ausstiegskosten rechnen wir nach. Und bitte legen Sie dann auch gleich die Wirtschaftlichkeitsrechnung der Bahn für dieses Projekt mit dazu. Die hat Ihr Vorgänger nämlich stets als Betriebsgeheimnis deklariert und nie rausgerückt.

    Wer bringt die dritte Lüge?

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