Was sagen die OB-Kandidaten zu … Bildung und Schule? #obs12 #sob12

Was sagen die OB-Kandidaten zu … Bildung und Schule?

Meine ganz persönliche Meinung zu den Wahlprogrammen:

 

Sebastian Turner: Er will als Stuttgarter OB Sieger im Wettkampf der Städte sein!

Turners Begriff von guter Bildungpolitik, den er auf sehr vielen Seiten mit sehr vielen Allgemeinplätzen, beschreibt, ist sehr wirtschaftsnah und wettbewerbsorientiert. Er ist bestrebt, dass Stuttgart am besten im Bundesdurchschnitt abschneidet. Sein Maßstab ist die Konkurrenz der Städte und Bundesländer. Stuttgart soll zur „Hauptstadt der Bildungsrepublik“ werden, soll auch „auf diesem Gebiet die Nr. 1 unter den deutschen Großstädten“ werden. Eine Seite später postuliert er, dass er am „ehrgeizigen Ziel, die kinderfreundlichste Stadt Deutschlands zu werden, festhalten“ will. Stuttgart sei in all dem auch schon auf dem besten Weg. Ich habe den Eindruck, dass es ihm weniger um Bildung, Qualität und Stärkung der Individualität geht, als vielmehr um (von persönlichem Ehrgeiz getriebenen) Wettbewerb und Konkurrenz. Er will als OB Stuttgart auf „Platz 1“ bringen (was das auch immer für ein Qualitätsurteil sein mag), weil er der beste sein will. Natürlich hat für ihn wie für alle anderen Kandidaten auch „die Stärkung von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen (…) oberste Priorität“. Andererseits setzt er auf „Subsidiarität und Trägervielfalt“ wo wir sehr schnell an dem Punkt sind, die öffentliche Aufgabe der Kinderbetreuung und Bildung und damit ein Stück Verantwortung und Kosten auf private Träger abzuwälzen. Auch hier wird Turners Bild der Stadt Stuttgart offenbar: die Stadt als Wirtschaftsunternehmen steht in Konkurrenz zu anderen Städten und muss sich im knallharten Wettbewerb durchsetzen. Meiner Ansicht nach ein sehr unpassendes und für Stuttgart auch unrealistisches Bild – erst recht in Sachen Bildung!

 

Bettina Wilhelm: Für sie ist alles wichtig und sie setzt sich für alles ein.

Auch für Wilhelm hat Bildung und Betreuung „schon immer höchste Priorität“, wobei sie die Situation in Stuttgart etwas realistischer darstellt als ihr Kollege Turner. Sie spricht an, dass Stuttgart ein wirkliches Problem in Sachen Kinderbetreuung hat und sieht wie Turner den Fachkräftemangel. Ihre Lösung heißt: ein „flächendeckender Ausbau von Kitas zu Familienzentren: Orte der Bildung und Begegnung für die ganze Familie“. Was das heißt, müsste jedem klar denkenden Menschen klar sein: die Eltern sollen in die Pflicht genommen werden und für die Betreuung der Kinder sorgen. Wozu sonst braucht es „Familienzentren“?? Frau Wilhelm will sehr viel und möchte sich für sehr viel einsetzen – dass das nicht ausreichend dürfte, um wirkliche Veränderungen herbeizuführen, dürfte klar sein.

 

Fritz Kuhn: Zuerst Evaluation der Kindergartenrichtlinien, dann sehen wir weiter.

Kuhn möchte die „Schlagworte“ „Kinder, Bildung, Zukunft“ konkretisieren. Er möchte mehr „Spielstraßen, freie Plätze und Bolzplätze“ in einem „Sofortprogramm“ realisieren, auch bräuchten wir eine „Vielzahl neuer Kitas in städtischer und freier Trägerschaft“. Um dies zu realisieren, seien „die Kindergartenrichtlinien rasch zu evaluieren“ und es müsse „transparent und klar sein, was wo gefördert wird“. Was diese Evaluation genau bedeutet und wie man mit einer Evaluation rasch Änderung herbeiführen will, darf man sich mit Recht fragen. Das Mehr an Kitas benötigt natürlich auch ein Mehr an Erzieherinnen und Erziehern. Mehr Gehalt oder eine „Hauptstadtzulage“ sind seine Mittel der Wahl, um derartiges Fachpersonal anzuwerben. Außerdem soll die Schulsanierung und Schulentwicklung vorangetrieben werden, Schülerhäuser wie die gebundene Gesamtschule sollten ausgebaut werden etc. pp. Auch hier viel „wir müssen“, „wir sollten“, „wir brauchen“ … aber auch hier stellt sich die Frage: reicht das aus, um wirkliche Veränderungen herbeizuführen? Und: ist das wirklich konkret??

 

Hannes Rockenbauch: Er weiß, wo es klemmt und sagt konkret, was er tun wird.

Rockenbauch zeigt klar und sehr differenziert, woran es in Stuttgart hakt. Der Gemeinderat hat im Juli der Verkürzung der Regelbetreuungszeiten in Kitas zugestimmt. Das ist die Politik, die die etablierten Parteien in Wirklichkeit machen, auch wenn sie anderes versprechen. Ziel der Bildungs- und Schulpolitik kann sich auch nicht in einem Wettbewerb mit anderen Städten erschöpfen, sondern muss Kinder und Jugendliche zu „selbständig denkenden und selbstbewussten Menschen“ erziehen. Die Probleme und Herausforderungen, vor denen Stuttgart steht, spricht er in fünf Punkten klar und sehr konkret an: die Folgen der freien Schulwahl, die Folgen der teilweisen Rückkehr zu G9, die Einführung der Gemeinschaftsschule … – alles Punkte, die für Stuttgart große Probleme mit sich bringen, die aber von der Stadt bisher nicht in Angriff genommen wurden. Rockenbauch sieht als Stuttgarter und als Stadtrat die Problempunkte klar und weiß, was konkret angegangen werden muss. Dies macht sein Programm von den vier besprochenen Wahlporgrammen für mich erneut am glaubwürdigsten.

 

Hier die Programme im Detail:

Turner

„Bildung ist unsere entscheidende Frage für die Zukunft – Bildung gibt jedem die Chance auf persönliche Entfaltung, auf eine berufliche Zukunft und auf Teilhabe an der Gesellschaft. Bildung ist Quelle unseres Wohlstands, der sozialen Sicherheit und der Innovationsfähigkeit des Standortes Stuttgart. Über die Bedeutung von Bildung wird eigentlich nicht gestritten – wir wollen die Bildungsrepublik Deutschland. Mein Ziel ist es, dass Stuttgart die Hauptstadt dieser Bildungsrepublik wird. Mit seinen Bildungseinrichtungen, Schulen und Ausbildungsstätten, Hochschulen, Akademien und Fortbildungsangeboten, mit Forschungs- und Entwicklungszentren kann Stuttgart auch auf diesem Gebiet die Nr. 1 unter den deutschen Großstädten werden. Vor allem kann es das mit den Stuttgarterinnen und Stuttgartern und ihrem weit überdurchschnittlichen Wissen und Können, Kreativität und Engagement.

Der Ausbau und die Stärkung von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen hat für mich oberste Priorität. Kindertagesstätten, Tagespflege, allgemeinbildende und berufliche Schulen leisten heute schon sehr gute Arbeit. Damit wir aber die Herausforderungen des demografischen Wandels, des Fachkräftemangels und der Integration schaffen, werden wir sie noch besser ausstatten müssen. Von Stuttgart sollen auch Impulse ausgehen, die die Landespolitik zu einer nachhaltigen Bildungs- und Wissenschaftspolitik anregen.

Kinder sind unsere Zukunft.  Familien mit Kindern sollen sich in Stuttgart wohl fühlen können und ihre Interessen ernst genommen werden. Stuttgart tut viel für Familien mit Kindern. BonusCard und Familiencard sind gute Fördermaßnahmen, die ich fortsetzen will. Stuttgart soll seinen Weg zur kinderfreundlichen Stadt fortsetzen und sich das Ziel setzen, auch noch mehr eine elternfreundliche Großstadt zu werden.

Die ersten Lebensjahre der Kinder sind eine entscheidende Phase der Entwicklung. Kinder sind neugierig und nehmen neue Erfahrungen auf.  Stuttgart ist dabei,  die Kindertageseinrichtungen massiv auszubauen und die Betreuungseinrichtungen zu Bildungseinrichtungen weiterzuentwickeln.  Mit dem Bildungsprogramm „Einstein in der Kita“ haben alle städtischen  Kindergärten ein umfassendes Bildungskonzept installiert.

Auch für Kinder unter drei Jahren ist eine altersgerechte Bildung im Sinne von „Einstein“ wichtig,  gemeinsam mit Betreuung und Erziehung. Beobachtung und Diagnose ermöglichen es frühzeitig, gerade im Bereich Sprache und Entwicklung Kinder gezielt weiter zu fördern und gemeinsam mit den Eltern Potentiale zu entwickeln. Wir dürfen beim quantitativen Ausbau nicht auf Qualität und Bildung verzichten.

Die Nachfrage nach Kinderbetreuungsangeboten ist enorm gewachsen. Junge Familien fragen nach einem flexiblen, ausreichenden und hochwertigen Betreuungsangebot für ihre Kinder. Das Ziel, ab Sommer 2013 für jedes dritte Kind ein Betreuungsangebot bereitzustellen, werden wir voraussichtlich erreichen – nach meiner Einschätzung wird die Nachfrage in der Großstadt Stuttgart mit ihrem hohen Beschäftigungsniveau aber noch höher ausfallen und für mindestens jedes zweite Kind gelten. Die Wünsche der Eltern nach Öffnungszeiten, Förderung der Kinder und Mitwirkungsmöglichkeiten fallen unterschiedlich aus und müssen aufgegriffen werden z. B. in regelmäßigen Elternbefragungen zu Bedarf und Zufriedenheit.

In der Bürgerstadt setzen wir auf Subsidiarität und Trägervielfalt. Wir unterstützen freie und kirchliche Träger, private Elterninitiativen und die Tagespflege, um eine ausreichende und qualitativ gute Betreuung zu sichern. Auch Betriebskindergärten als Teil des Engagements der Unternehmen wollen wir angemessen fördern.

Fachkräftemangel beim Kita-Personal  zeichnet sich bereits heute deutlich ab. Wir müssen prüfen, wie wir für diese Berufsgruppe die Arbeit in Stuttgart attraktiver machen können und ihrer Verantwortung und Leistung besser gerecht werden.  Ich möchte die Einrichtungen besonders würdigen, die sich um Kinder mit Startnachteilen kümmern und sie mit Erfolg fördern.

An unseren Kindern sparen wir nicht, sondern werden auch im Haushalt der nächsten Jahre zusätzliche Investitionsmittel für Sanierungen, Neu- und Umbauten von Kindertageseinrichtungen und Schulen aufwenden.  Die Kinder sind es uns wert. Mein Ziel ist es, dass jedem Kind ein Betreuungs- und Bildungsangebot nach Wunsch angeboten werden kann.

Wir wollen eine kinderfreundliche Stadt sein. Ja, wir wollen am ehrgeizigen Ziel, die kinderfreundlichste Stadt Deutschlands zu werden, festhalten. Dafür setze ich mich persönlich schon seit Jahren ein und habe diese Initiative seinerzeit mit angestoßen. Kinder und Jugendliche sollen sich in unserer Stadt frei und sicher bewegen können und viele Chancen der Entfaltung nutzen können. Mit einem breiten Freizeitangebot schafft Stuttgart viele Möglichkeiten. Das große Angebot an Aktivspielplätzen, Jugendfarmen, Spielhäusern, Waldheimen, Ferienbetreuung usw. will ich erhalten und auch in der Innenstadt genügend Freiräume sichern.

Viele Eltern und Familien wollen ihre Kinder fördern, brauchen aber Unterstützung. Gerade für sie sind Familienzentren wichtig, in denen sie Kontakt mit anderen Familien, Beratung und Begleitung finden. Solche Anlaufstellen und Beratungszentren sollen weiter gestärkt werden.

Jedes Kind in Stuttgart soll die Chance haben, unabhängig von seiner sozialen und kulturellen Herkunft eine kontinuierliche und gelingende Bildungslaufbahn zu erreichen. Dies ist für mich eine Frage der Gerechtigkeit – ja es ist die soziale Frage der Zukunft. Dazu gehört an erster Stelle eine früh einsetzende individuelle Sprachförderung, die in der Schule weitergeht.

Kinder aus bildungsfernen Familien brauchen zusätzliche Unterstützung, um ihre Chancen besser nutzen und Startnachteile ausgleichen zu können. Der Ausbau der Schulsozialarbeit ist daher richtig.  Die persönliche Begleitung durch einen kontinuierlichen Ansprechpartner ist für sie eine wichtige Hilfe. Gerade beim Übergang von der Schule über den Schulabschluss in die Ausbildung hinein gibt es eine Fülle an bürgerschaftlichem Engagement als Teil der umfassenden „Stuttgarter Bildungspartnerschaft“. Bildungspaten und Mentoren sind besonders gute Beispiele für ein gelingendes Miteinander in unserer Stadt.

Gut und modern ausgestattete Schulen sind elementar; in der Sanierung der Schulen hinken wir allerdings hinterher. Stuttgart hat sich daher eine Generalsanierung der Schulen vorgenommen. Es ist daher richtig, dass für die Schulsanierungen ein höherer Finanzierungsanteil in den Haushalt gestellt wurde. Schulinvestitionen sind Zukunftsinvestitionen. Schulen stehen ihrerseits in der Pflicht, ihren Schülern den respektvollen Umgang mit Räumen und Ressourcen beizubringen, die schließlich die Gemeinschaft für sie finanziert hat  – der Gemeinsinn der Bürgerstadt fängt früh an.

Der demografische Wandel und der Geburtenrückgang machen sich bereits bemerkbar, auch wenn Stuttgart heute „boomt“. Der Wandel in Wirtschaft und Arbeitswelt schafft neue Anforderungen an Bildung und Qualifizierung: Am innovations- und technologintensiven Standort Stuttgart sind zunehmend höhere  Qualifikationen gefragt.  Mittelfristig wird die mittlere Reife zum ersten Abschluss werden; der Trend auf das Gymnasium hält an.

Die Aufhebung der Grundschulempfehlung und die Einführung der Gemeinschaftsschule durch das Land machen die Bedarfsplanung für die Schulen immer weniger kalkulierbar. Auch die Inklusion von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Regelschulen stellt die Stadt als Schulträgerin vor Herausforderungen. Unser Ziel in Stuttgart ist es, allen Kindern die optimale Förderung an der Schule ihrer Wahl zukommen zu lassen. Jedes Kind soll  einen qualifizierten Schulabschluss erreichen und die Schule mit guten Anschlussmöglichkeiten verlassen.

Die Stadt Stuttgart braucht daher eine kontinuierliche Schulentwicklungsplanung, die Handlungssicherheit gibt und Flexibilität bewahrt. Sie ist gemeinsam mit den Schulen und Lehrern, mit den Eltern und Stadtbezirken abzustimmen und fortzuentwickeln. Kriterium muss es sein, ein wohnortnahes, vielfältiges und hochwertiges Angebot an Grundschulen und weiterführenden Schulen bereitzustellen.

Zur Schule gehört auch ein Ganztagsangebot an Bildung und Betreuung. Es muss dem Profil der Schule und dem Bedarf der Eltern und Kinder entsprechen. Es muss ebenso die rhythmisierte Ganztagsschule geben wie die Schule mit einem zusätzlichen und offenen Ganztagsangebot, bei dem auch Vereine und Ehrenamtliche ihren Platz haben.

Die Stuttgarter Musikschule macht ein hochwertiges Bildungsangebot für die Kinder und Jugendlichen unserer Stadt. Die Kooperation mit den Schulen möchte ich weiter ausbauen, damit möglichst viele und gerade solche Kinder Musik für sich entdecken und erleben können, die sonst nicht diese Chance hätten.

Stuttgart ist ein bundesweit führender Hochschulstandort: Ein Studium ist in Stuttgart an zahlreichen, sehr erfolgreichen und renommierten Universitäten, Hochschulen und Akademien möglich. Unsere Wirtschaft ist maßgeblich auf die Hochschulen und ihr Innovationspotential angewiesen: Sie bilden den Nachwuchs innovativer Fach- und Führungskräfte aus, die Stuttgart an der Spitze halten – erst die hervorragend ausgebildeten Absolventen der Hochschulen machen die Unternehmen wettbewerbs- und zukunftsfähig. Dennoch fällt auf, dass Stuttgart nicht als Universitäts- oder gar als Studentenstadt empfunden wird. Das Selbstverständnis Stuttgarts als führender Standort der Hochschulbildung kann und muss daher stärker deutlich gemacht werden – das ist mir als langjährigem Lehrenden an Hochschulen ein besonderes Anliegen.

Hochschulen vermitteln nicht nur fachspezifisches Wissen, sie strahlen auch aus auf eine wissensdurstige Bürgerstadt. Hochschulen sind Teil der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens für viele Stuttgarterinnen und Stuttgarter. Ich möchte dazu beitragen, dass die Stuttgarter Hochschullandschaft ein Ort wird, an dem weltweit beachtete Zukunftsdebatten – z.B. über die Zukunft der Städte und natürlich insbesondere der Stadt Stuttgart – geführt werden.“

Wilhelm

„Frühkindliche Bildung und Betreuung hat für mich als Pädagogin schon immer höchste Priorität. Der Nachholbedarf in Stuttgart ist gewaltig. Eltern sind verzweifelt, weil sie keine ausreichende Betreuung finden. Selbst die Versorgung der Kindergartenkinder ist nicht überall wohnortnah gesichert. Eltern, die nach Stuttgart einpendeln, werden allein gelassen. Konfessionelle und freie Träger sind Partner auf Augenhöhe. Nur zusammen gelingt es, die Situation rasch zu verbessern. Ohne die Qualität zu vernachlässigen, braucht es auch unkonventionelle Lösungen. Das größte Problem ist der Fachkräftemangel. Stuttgart muss als Ausbildungs- und Arbeitsort attraktiv sein. Was bei Pflegekräften gelungen ist, muss auch bei Erziehungsberufen glücken. – Um gleiche Chancen für alle zu ermöglichen, setze ich auf einen flächendeckenden Ausbau von Kitas zu Familienzentren: Orte der Bildung und Begegnung für die ganze Familie – Sprachförderung von Anfang an.

Schule als Lebensort braucht angemessene Räume für Lernen, Freizeit, Begegnung und Bewegung. Das beschlossene Schulsanierungsprogramm muss zwingend auf die Schulentwicklungsplanung abgestimmt werden. Jede Schule soll zur Ganztagsschule ausgebaut werden. Vereine, Musikschule, VHS und Institutionen im Stadtteil sind wichtige Partner. Mit dem Bau von Schülerhäusern ist Stuttgart auf einem guten Weg, doch bis die Umsetzung an allen Standorten erfolgt ist, braucht es flexible Zwischenlösungen. Die Not der Eltern ist groß. Jedes zweite Schulkind hat keine ausreichende Betreuung. Das muss sich rasch ändern. Längeres gemeinsames und individualisiertes Lernen verbessert die Chancen für alle Kinder. Deshalb bin ich für Gemeinschaftsschulen in jedem Stadtbezirk. Ein Umdenken vom „schulreifen Kind“ hin zur „kindreifen Schule“ ist überfällig. Ich werde mich dafür einsetzen, dass alle Kinder unabhängig von Herkunft, Begabung und Einkommen der Eltern gleiche Bildungschancen bekommen.

2012 ist das Wissenschaftsjahr der Nachhaltigkeit – wenn der Begriff auch manchmal etwas überstrapaziert wird, so misst sich daran doch die Zukunftsfähigkeit einer Stadt. Bauen, Energie, Kommunikation, Mobilität, Umwelt, Landwirtschaft und Wirtschaft erfordern Nachhaltigkeit. Der Wissenschafts-, Forschungs- und Hochschulstandort Stuttgart lehrt, forscht und entwickelt in diesen Zukunftsfeldern. Eine gelungene Vernetzung zur Wirtschaft, auch zu kleinen und mittelständischen Unternehmen (das durchschnittliche Maschinenbauunternehmen hat nur rund 165 Beschäftige), macht den Wirtschaftsstandort Stuttgart fit für die Zukunft. Ich sehe es als wichtige Aufgabe, diese Vernetzung zu stärken und gute Rahmenbedingungen zu fördern, wie bezahlbaren Wohnraum, eine gute ÖPNV-Anbindung, Kinderbetreuung, ein attraktives Kultur- und Freizeitangebot und eine aktive Willkommenskultur. Stuttgart sollte stärker als bisher zum Wissenschafts- und Hochschulstandort stehen und internationale Kontakte nutzen.“

Kuhn

„Kinder, Bildung, Zukunft – drei Schlagwort die häufig und meist gemeinsam in den Mund genommen werden. Bei all der Rhethorik fehlt es jedoch praktisch noch an ganz vielen Stellen. Stuttgart wurde bereits früh zur „kinderfreundlichsten Stadt“ ausgerufen. Das kann man gerne tun, doch Stuttgart zu einer wirklich kinderfreundlichen und bildungsstarken Stadt zu machen, ist etwas ganz anderes.

Dass Kinder unsere Zukunft seien, wird oft gesagt.  Und dass Bildung unser alles bestimmender Rohstoff seien, auch. Ich will da als Oberbürgermeister gerne noch etwas konkreter werden.

Ich trete ein für:

  • Eine kinderfreundliche Stadt, in der sich Kinder und auch Jugendliche so bewegen können, dass sie etwa durch den Verkehr nicht in Gefahr geraten. Wir brauchen mehr Spielstraßen, freie Plätze und Bolzplätze in der ganzen Stadt. Dafür würde ich als neuer OB ein Sofortprogramm starten. 
  • Wir brauchen mehr Kitas, entsprechend der Bedürfnisse der Eltern. Eine Durchschnittsquote der Betreuung im Bereich der 0-3jährigen von 43% ist für eine Großstadt, in der in vielen Stadtbezirken 60-70% nachgefragt werden, zu wenig. Wir brauchen also eine Vielzahl neuer Kitas in städtischer und freier Trägerschaft, deren Öffnungszeiten auch über 8 Stunden hinausgehen. Die Kindergartenrichtlinien sind rasch zu evaluieren und es muss transparent und klar sein, was wo gefördert wird. Die Kitas in freier Trägerschaft sind fair zu behandeln. 
  • Wir brauchen nicht nur mehr Kitas, sondern auch mehr Erzieherinnen und Erzieher. Ob Höhergruppierungen ausreichen, oder ob wir auch eine Hauptstadtzulage, wie zum Beispiel in München brauchen, muss bald entschieden werden. Wenn wir es nicht schaffen, das Thema „Geringes Gehalt, aber hohe Mieten“ zu bearbeiten, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir zu wenig ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher in die Stadt bekommen.
  • Konsequente Schulsanierung und einen Schulentwicklungsplan, der ein reichhaltiges Schulangebot, einschließlich der Gemeinschaftsschule, vorsieht. Für mich ist die Gemeinschaftsschule keine Notschule, wenn sonst der Laden dicht machen muss. Sie ist eine eigene Schulform, die hohes Entwicklungspotential hat. Ich bin auch dafür, dass wir mit dem Land diskutieren, ob wenigstens die Großstädte in Baden-Württemberg auch die inhaltliche Verantwortung über ihre Schulen übernehmen sollen. Dies ist in Bayern bereits Praxis und ich finde, dass es Vieles erleichtern würde.
  • Zügiger Ausbau der Schülerhäuser und der gebundenen Ganztagsschulen, die auch eine Öffnung für die Musikschulen und Vereine umfassen soll, damit Eltern nach dem Kindergarten nicht in ein „Betreuungsloch“ fallen.“

 

Rockenbauch:

„Das Bildungswesen (frühkindliche Erziehung, KiTa, Schulausbildung, Berufs- und Hochschulausbildung) bestimmt die Zukunftsperspektiven unserer Kinder. Es muss ihnen die geistigen, ethischen und fachlichen Fähigkeiten vermitteln, mit deren Hilfe sie die Welt von morgen gestalten. Selbständig denkende und selbstbewusste Menschen müssen das Ziel sein. Deshalb darf sich Bildung nicht auf die Stoffvermittlung beschränken: Theater spielen, musizieren, Sport treiben, experimentieren, forschen – jedes Kind ist anders, seine Fähigkeiten müssen entdeckt und gefördert werden. Wenn man Bildung so definiert, muss unser Bildungssystem dringend einer Reform unterzogen werden. Der Diskurs darüber hat schon begonnen, die Auseinandersetzungen sind in vollem Gange. Deshalb will ich mich hier auf die aktuellen Reformpläne und die damit verbundenen Probleme in Stuttgart beschränken.

Neue Schulpolitik – viele Fragen

Im Sommer veröffentlichte die Stadtverwaltung den Schulentwicklungsplan der Stadt Stuttgart (SEP). Bei der Auftragsvergabe war sie noch davon ausgegangen, dass in Baden-Württemberg die CDU die Regierung stellt und das dreigliedrige Schulsystem erhalten bleibt. Beim SEP geht es im Wesentlichen um formale Fragen, die die Rahmenbedingungen betreffen: Welche Räume sind in jeder Schule vorhanden und welche werden gebraucht? Welche Schule bleibt trotz Schülerschwund erhalten, welche kann mit welcher zusammengelegt werden? Gibt es ein neues Gymnasium und wo? Aber die inhaltliche Ausgestaltung der Schulen, neue pädagogische Ziele und Veränderungen sind nicht berücksichtigt. Sie erfordern eine neue Planung. Die grün-rote Landesregierung versprach eine neue Schulpolitik, die im Wesentlichen drei Punkte vorsieht:

  • Die Eltern bestimmen seit diesem Frühjahr selbst, auf welche weitergehende Schule ihr Grundschulkind geht, die Grundschulen haben nur beratende Funktion.
  • Neben dem eingeführten G8 wird auch wieder das G9 möglich, um mit zweierlei Geschwindigkeiten zum Abitur gelangen zu können.
  • Die Einführung einer Gemeinschaftsschule, die mit einer neuen Lehr- und Lernkultur allen Schülern ein gemeinsames Lernen bis zur 10. Klasse bzw. bis zum Abitur ermöglicht.

Für Stuttgart ergeben sich daraus fünf Problemkreise:

  1. Die freie Entscheidung der Eltern wirkt sich auf die Anmeldezahlen der verschiedenen Schul-Typen aus: Haupt- bzw. Werkrealschulen werden noch weiter ausdünnen, Realschulen und Gymnasien erwarten einen größeren Andrang, der bewältigt werden muss.
  2. Statt das neunjährige Gymnasium flächendeckend anzubieten, gibt es nun die kostengünstige Vorgabe, dass G9 nur bei 4-zügigen Schulen eingeführt werden darf, also wenn die Schule auch regelmäßig vier Klassen in einem Jahrgang hat. Dies trifft für Stuttgart auf kein einziges Gymnasium zu! Vier Stuttgarter Gymnasien bewarben sich dennoch, das Land ließ nur eines, das Zeppelin-Gymnasium, zum Zug kommen.
  3. Die neuen Gemeinschaftsschulen entstehen im Land bisher meist aus Haupt- bzw. Werkrealschulen, ihre Weiterführung bis zum Abitur ist nicht gesichert. Vorgabe ist, dass diese Schule mindestens 2-zügig sein muss – auch diese Vorgabe kann nach den Anmeldezahlen für die Klasse 5 an keiner einzigen Haupt- bzw. Werkrealschule in Stuttgart eingehalten werden. Die Landesregierung hat jetzt 42 Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg an den Start gebracht. Das ist der erste richtige Schritt, das selektive Schulsystem im Land zu überwinden. Eine Stuttgarter Schule ist noch nicht dabei, aber es gibt an mehreren Haupt- und Werkrealschulen großes Interesse für die nächste Anmeldung.
  4. Eine wesentliche Ursache, warum Realschulen, Gymnasien oder auch Lehrer und Eltern der neuen Schulform skeptisch gegenüberstehen, ist die lückenhafte inhaltliche Information und die fehlende Diskussion über das pädagogische Konzept und die Chancen für die Kinder.
  5. Auch stimmen die Rahmenbedingungen für die Lehrer noch nicht: Wie soll das Ganztagesangebot mit welchem Personalschlüssel umgesetzt werden? Wie kann man Gymnasial-Lehrer dafür gewinnen? Denn nur mit ihnen zusammen kann man Eltern, deren Kinder eine Gymnasialperspektive haben, auch von dieser Schulart überzeugen. Sie braucht engagierte Lehrer, deshalb muss ein gleiches Stundendeputat von 25 Unterrichtsstunden und A13 für alle Lehrer/-innen gelten.

Was kann die Ganztagesschule?

Bis zum Jahr 2018, spätestens 2020, sollen die Grundschulen in Stuttgart zu Ganztagesschulen werden, um allen Kindern, unabhängig von der Herkunft, ein breites Bildungsfundament zu geben. Außerdem wird damit der Notwendigkeit nach verlässlicher Ganztagsbetreuung Rechnung getragen. Die Übergangsform der „Schülerhäuser“ macht aber deutlich, dass auch hier noch viele offene Fragen geklärt werden müssen, wie z.B. die Entlohnung und Weiterqualifizierung von Betreuungskräften. Für manche Eltern stellt sich auch die Frage: Wie flexibel ist die Ganztagesschule, wenn Kinder außerschulische Aktivitäten wahrnehmen möchten, beispielsweise zusätzlichen Musikunterricht oder Sport? Bisher lässt die Stadt den Eltern nur die Wahl zwischen verbindlicher Ganztagesschule oder Halbtagsschule. Wie können Vereine und andere Jugend- und Bildungseinrichtungen einbezogen werden? Auch hier gibt es Klärungsbedarf, die Stadt ist gefordert.

Defensive Stadtverwaltung

Die Stadt Stuttgart zeichnet sich nicht gerade durch Reformeifer aus. Wo unterstützt sie vernehmbar die Forderung nach mehr G9-Zügen in Stuttgarter Gymnasien? Denn Stuttgart braucht sicher mehr als ein einziges G9-Gymnasium! Auch hat sie bisher beim Land keine einzige Gemeinschaftsschule angemeldet. Die Schulbürgermeisterin, Susanne Eisenmann, begründet dies hauptsächlich mit der noch laufenden Prüfung des Schulentwicklungsplans und der mangelnden Resonanz aus den Schulen. Klar ist, eine Veränderung in Schulen braucht Zeit – aber sie braucht auch Ermutigung und ein großes Engagement der Beteiligten, seien es die Stadt, die Schulen, die Lehrer und Eltern oder Verbände und Gewerkschaften.

Frischer Wind in die Schulpolitik der Stadt

Das dreigliedrige Schulsystem muss überwunden werden. In Stuttgart haben ca. 40 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Die Hauptschulen sind in Gefahr, Ghettoschulen zu werden. Die Trennung der Schülerinnen und Schüler nach Schularten ist auch eine soziale Trennung. Wenn Kinder nur ihresgleichen kennen und nicht über den Tellerrand ihrer sozialen Herkunft hinaussehen, schadet das auch der Weiterentwicklung unserer Gesellschaft. Die Kinder der Migranten brauchen eine Perspektive und mehr Wertschätzung, ihre Potenziale müssen entdeckt und gefördert werden. Damit die Gemeinschaftsschule auch wirklich für alle attraktiv wird, muss sie die Erweiterung bis zum Abitur anbieten. Sonst werden Schüler mit gymnasialer Empfehlung dort nicht angemeldet und es besteht die Gefahr, dass sie zur neuen Restschule wird. Eine Gemeinschaftsschule sollte das Ziel für jeden Stadtteil sein. Ein Großprojekt wie diese Reform kann aber nicht per Dekret durchgesetzt werden, es braucht Zeit, die Betroffenen wollen mitreden. Dazu gehört eine umfassende fachlich-pädagogische Information und eine ausführliche Beratung von Schulen und Bürgern. Motivation und Engagement entwickeln sich nur, wenn man weiß, wofür man sich engagiert und wenn man einen Weg der Umsetzung sieht. Für die Lehrerinnen und Lehrer an den Gemeinschaftsschulen müssen gleich gute Rahmenbedingungen geschaffen werden. Eine neue Schule ist Pionierarbeit und braucht engagierte Pädagogen und die Unterstützung von Stadt und Land. Die Schulen müssen räumlich gut ausgestattet sein, auch mit Schulküchen, in denen die Schüler/-innen mitkochen. Am besten mit frischen, biologisch erzeugten regionalen Produkten, damit sie gesunde Ernährung als Alternative zum Fast Food kennenlernen. Übrigens: Gut geplante Schulen würden sich nach Schul ende als Bürgerzentren für VHS-Kurse, Vereine, Theateraufführungen, Konzerte und Sport hervorragend eignen.

Berufsschulen nicht vernachlässigen

Viel zu wenig in der öffentlichen Diskussion sind die Berufsschulen. An beruflichen Schulen lernen Schüler/-innen aus allen Schularten: im dualen System, wenn sie eine Berufsausbildung machen, an beruflichen Vollzeit- oder Teilzeitschulen, wenn sie sich beruflich fortbilden oder wenn sie ihren allgemeinen Schulabschluss erhöhen oder nachholen wollen. Viele Schüler/-innen aus bildungsfernen Schichten möchten beispielsweise in einer Berufsfachschule die mittlere Reife, an einem Berufskolleg die Fachhochschulreife oder an einem beruflichen Gymnasium die allgemeine Hochschulreife erwerben. Die Defizite allgemeinbildender Schulen und die Notwendigkeit besonderer Förderung werden im Bereich der beruflichen Schulen besonders deutlich, wenn diese jungen Menschen die von Wirtschaft, Industrie und Hochschulen ge forderte Ausbildungs- bzw. Studierfähigkeit erreichen wollen. Beispielhafte Modellprojekte in Zusammenarbeit mit Theatern in Stuttgart, dem Literaturhaus oder städtischen Einrichtungen wie dem museumspädagogischen Dienst haben gezeigt, dass die gezielte Förderung Jugendlicher und junger Erwachsener große Erfolge hat. Solche Projekte müssen zur ständigen Einrichtung werden, denn sie fördern die sprachlichen, kulturellen, sozialen und kreativen Kompetenzen − das schaffen die beruflichen Schulen alleine nicht. Hier hat neben dem Land Baden-Württemberg auch die Stadt Stuttgart eine wichtige Aufgabe. Außerdem könnten freie Künstler aus der bildenden und darstellenden Kunst, Sprecherzieher, Schriftsteller und Journalisten mit pädagogischen Ambitionen, die es in Stuttgart in großer Zahl gibt, hier ein gutes Betätigungsfeld finden, das ihnen zudem helfen würde, ihr oft geringes Einkommen ein wenig aufzubessern.

Zwei Nachträge:

1) Das Schulsanierungsprogramm muss zügig umgesetzt und nach Bedarf erweitert werden. Verrottete Schulen (eine Hinterlassenschaft der Gemeinderatsmehrheit) darf es nicht geben.

2) Ebenso konsequent muss man die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Rechtsanspruch auf einen KiTa-Platz erfüllt wird. Die Verkürzung der Regelbetreuungszeiten in den KiTas, der alle Gemeinderatsfraktionen außer SÖS/Linke im Juli 2012 zugestimmt haben, muss zurückgenommen werden.“

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