4.9.2012 Herr PHK H., das nenne ich Kriminalisierung #s21

Sehr geehrter Herr PHK H.,

gestern Abend im Schlossgarten haben Sie sich mit Ihrem Einsatzleiter stark dagegen gewehrt, dass man ihnen unterstellte, uns zu kriminalisieren. Dies geschah, nachdem Sie einen Gegner gegen S21 nach der Montagsdemo festhielten und durchsuchten, da er angeblich Kabelbinder der neuen Werbe-Plakate am Bauzaun durchgeschnitten hätte. Sie fanden ein Tatwerkzeug und übergaben den Deliquenten an zwei zivile Kriminalbeamte, die ihn abführten. Nachdem wir dann zu diskutieren anfingen, weil ich richtigstellen wollte, dass sie uns eben doch kriminalisieren, entzogen Sie sich der Diskussion und verliessen den Park. Deshalb möchte ich Ihnen in aller Sachlichkeit nochmals darlegen, warum ich dennoch und weiterhin behaupten werde, dass die Polizei uns, den Widerstand gegen S21, kriminalisiert.

Wie jeder Beamte haben auch Sie als PHK Handlungsspielräume. Sie können ein Auge zudrücken, wenn sich die Tat (egal ob Ordnungswidrigkeit oder Straftat) als so gering herausstellt, dass eine weitere polizeiliche und staatsanwaltliche Verfolgung sich eigentlich nicht lohnen würde. Wo kein Kläger, da kein Richter. Aber genau das tun Sie nicht, sondern Sie verfolgen rigoros jeden Pups, der irgendwie verfolgt werden kann. Und genau das nenne ich Kriminalisierung!

Sie könnten sich auch auf den Standpunkt zurückziehen: der Park ist zwar öffentlicher Raum, gehört aber der Bahn. Wenn die Bahn es für nötig hält, den Bauzaun mit derartigen Plakaten, die uns natürlich wegen ihrer Falschdarstellungen provozieren, zuzukleistern, soll sie auch darauf aufpassen. Das tun sie aber nicht! Sie könnten sich auch auf den Standpunkt stellen: ein Kabelbinder kostet keinen Cent. Wenn nun jemand einen Kabelbinder zerschneidet, ist das zwar einerseits eine Straftat, nämlich Sachbeschädigung, andererseits ist diese Sachbeschädigung so gering einzuschätzen, dass eine Verfolgung nicht lohnt. Das tun Sie aber nicht. Was ist denn das schlimmste, was durch das Durchschneiden eines Kabelbinders passieren würde? Das Plakate fiele zu Boden – und die Lügen wären nicht mehr sichtbar. Auch das ist eine Lapalie! Ich würde Ihnen Recht geben, wenn Sie jemanden verfolgten, der ein Plakat mutwillig zerstört oder den Bauzaun beschädigt, aber das Zerschneiden von Kabelbindern so rigoros zu verfolgen, ist in meinen Augen vollkommen überzogen und jeder normale Mensch muss sich fragen: ja haben die Herren der Polizei und der Kriminalpolizei nichts besseres zu tun, als einen Menschen wegen 1 Cent anzuzeigen? Und damit ist es ja nicht getan! Durch die Anzeige werden, wie wir gesehen haben, zwei zivile Herren der Kriminalpolizei, sodann die Staatsanwaltschaft und auch ein Gericht beschäftigt, vielleicht auch noch ein Rechtsanwalt – und das alles wegen einer Sachbeschädigung von 1 Cent. Wo hier die Verhältnismäßigkeit ist, bleibt mir schleierhaft.

Natürlich ziehen Sie sich auf den Standpunkt zurück, Sie täten nur Ihren Job und Sie hätten das Recht auf Ihrer Seite. In der Tat, das stimmt wohl. Da, Herr PHK H,, machen Sie es sich aber zu einfach, denn Sie könnten Ihren Job auch anders machen. Und Sie hätten das Recht auch weiterhin auf Ihrer Seite! Das machen Sie aber ganz bewusst nicht, sondern Sie wollen oder sollen (?) jeden Pups der Gegner des Bahnprojekts verfolgen. Ihnen geht es ums Prinzip, Sie wägen offenbar nicht mehr ab. Und das nenne ich Kriminalisierung!

Jetzt gehe zum Bauzaun frühstücken. Vielleicht ist ja noch jemand da, der spontan mit mir demonstrieren möchte. Und ich bin gespannt, was Ihnen und Ihren Kollegen einfällt, wie Sie uns heute bestrafen können dafür, dass wir einfach keine Ruhe geben und auch weiterhin von unserem Recht der freien Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit Gebrauch machen.

Es grüßt Sie freundlich

Ihr Z.

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23 Antworten zu 4.9.2012 Herr PHK H., das nenne ich Kriminalisierung #s21

  1. Zwuckelmann schreibt:

    @Oberbayer: man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen

  2. Josef Eisele schreibt:

    Die Einseitigkeit ist nicht zu übersehen, und die Berichterstattung zielt darauf ab, diesen Verfolgungs-und Verurteilungsdruck noch zu rechtfertigen, im Sinne einer nachträglichen Bestätigung der schon lange erhobenen Behauptung, es seien nur noch Fanatiker und sonstwie nicht ernst zu nehmende Menschen am Werk, beim weiteren Widerstand gegen das weiterhin unsinnige Projekt. Aber vor einer emotional bestimmten Reaktion muss man sich überlegen, was man damit bezweckt. Die Polizei kann sich höchstens an die Gesetze halten. Die Zivilbeamten sind nicht dazu da, den möglichen Einfluss radikaler Gruppen zu beobachten, das ist auch klar. Eine möglichst große Anzahl schulmäßig festgenommener Personen mit guter Beweislage für eine Anzeige mag die StA schon erfreuen, dennoch und gerade deshalb: Hände weg von Rechtsverletzungen, es sei denn, sie sind Teil eines Ziviler Ungehorsam genannten Vorhabens. Das gilt auch für den Protest gegen neofaschistische Aufmärsche.Mit einer Zustimmung zum Verhalten der Polizei etwa am Beispiel der Verletzung der Bannmeile hat das nichts zu tun. Hier haben einzelne Beamte gewissermaßen provoziert, bis sich eine Gelegenheit zum Zugriff ergab, so nach dem Motto, sie müssen selbst wissen, wo die Grenze ist. Ich persönlich würde es unbedingt vermeiden wollen, von einem Beamten angefasst werden zu dürfen, angesichts der Definition, Widerstand gegen die Staatsgewalt sei jede merkbare willentliche Aktion, selbst das gestreckt halten eines Fingers. Gesendet: Mittwoch, 05. September 2012 um 09:29 Uhr Von: Posterous <

  3. W. O. Fachet schreibt:

    Ich verstehe die Deutsche Bahn nicht. Warum tut sie sich das an. Ich hätte den Stuttgartern ihren Bahnhof gelassen und einen modernen auf den Fildern gebaut. Zum Flughafen könnten sie dann mit dem Vorortzug fahren, wie wir es leider aus der Provinz müssen und deshalb lieber im Zug bis Frankfurt bleiben. Und die Landeshauptstädter könnten sein, was sie schon immer waren: Ein Provinznest.Wenn ich noch das Entsetzen jener Protagonistin der S-21-Widerstandes nach dem Volksentscheid im Ohr habe: Die haben nicht so abgestimmt, wie wir es wollten!, dann sagt das alles über die S21-Gegner aus. Sie mögen alles sein, nur nicht Demokraten.Ich jedenfalls habe keine Lust, mit meinem Steuergeld weiter die Marotten ein paar Durchgeknallter zu finanzieren. Lasst den Stuttgarter ihre Vorort-Station.

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