20.10.2011 #s21 Auch Zwuckelmann will Referendum nicht torpedieren!

Wie bescheuert ist das denn? Da haben Grube und ich doch offensichtlich einiges gemeinsam! Man ersetze im heutigen Artikel der Stuttgarter Zeitung („Grube brennt für Stuttgart21„) „Grube“ durch „Zwuckelmann“ und „Manager“ durch „Parkschützer“, hier ein „nein“ eingefügt, dort ein „ja“ – und schon kann man den Artikel 1:1 für uns verwenden 🙂  …

Zwuckelmann brennt für das Alternativkonzept K21

„Stuttgart – Es gibt kein rücksichtsloses weiter, nicht für Zwuckelmann. Und falls jemand doch weiter wollte, dann kostet das 8 Milliarden Euro. Das müsse die grün-rote Landesregierung dann erst einmal erklären, weshalb sie so viel Geld ausgeben wolle, um nichts in der Hand zu haben, nur einen weniger leistungsfähigen und wirtschaftlich und ökologisch unsinnigen neuen Bahnhof. Kann Ministerpräsident Winfried Kretschmann das wollen? Eigentlich nein, findet Zwuckelmann, der am Mittwochabend in den Schlossgarten gekommen ist. Dort, mitten in der Stuttgarter Innenstadt, haben die Parkschützer ihren Sitz, die ohne Chef und ohne Hierarchien dort wohnen und sich treffen und viel miteinander reden. Zwuckelmann wohnt nicht weit entfernt. Im Park wohnen Parkschützer und Sympathisanten. Draußen vor den Zelten reihen sich Transparente schwäbischer Provinienz. Für Zwuckelmann ist es ein Heimspiel. Er genießt es.

Am 27. November werden die Baden-Württemberger in einem Referendum nicht über Stuttgart 21, sondern nur über die Finanzierungsbeteiligung des Landes befinden. Es wird die erste Volkabstimmung im Land sein. Ein Parkschützer sagt, er halte es für „mehr als fragwürdig, in welcher Weise mit dem Instrument einer Volksbefragung gearbeitet wird“. Schließlich habe die Landesregierung diesen Weg nur aus „koalitionspolitischem Kalkül“ gewählt. Da hat er Recht. Ohne die Volksabstimmung wäre die über Stuttgart 21 zerstrittene grün-rote Koalition gar erst nicht zustande gekommen. Um eine „Volksbefragung“ aber handelt es sich im strengen Sinne nicht. Liebend gern hätten die Grünen eine solche rechtlich unverbindliche, politisch aber durchschlagende Volksbefragung gehabt, doch die SPD bestand auf einer Volksabstimmung gemäß der Landesverfassung. Denn die sieht ein Zustimmungsquorum von einem Drittel der Wahlberechtigten vor – eine Nuss, welche für die Stuttgart-21-Gegner nur schwer zu knacken ist. Der Parkschützer sagt, man müsse das Beste aus der Abstimmung machen. Und das bedeute: Nein zu Stuttgart 21, Ja zum Ausstieg. „Wir sind auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen. Stuttgart 21 werde „unserem Land absolut keinen Nutzen bringen“.

Probleme mit der Volksabstimmung

Auch Zwuckelmann hatte anfangs so seine Probleme mit der Volksabstimmung. „Ich war lange Zeit mit mir selbst nicht im Reinen, ob ich sie torpedieren soll.“ Am Ende seiner Überlegungen aber ist er zu der Erkenntnis gelangt: „Man muss nicht immer mit dem Kopf durch die Wand.“ Was nicht bedeutet, dass Zwuckelmann Stuttgart 21 nicht mehr so wichtig nimmt. Das nicht. Beileibe nicht. Der Mann entwickelt ein Feuer, wenn er über das Alternativprojekt K21 und den Widerstand redet, das die Vertreter von Bahn und Politik aber nicht hören wollen, weil sie sich nicht dazu bereit fanden, über Alternativen mehr zu sagen, als dass S21 eben beschlossen und von den Gerichten bestätigt sei. Basta. Nur Winfried Kretschmann kniete sich rein in die Materie, aber auch das tat der derzeitige Ministerpräsident nur, als er im Wahlkampf dringend einen Erfolg brauchte. Und dann war da doch Wolfgang Drexler, der Haudegen von der SPD, der nicht daran glaubt, dass Wohlstand auf vernünftiger Infrastruktur gründet sondern allein auf der möglichst schnellsten, größten und teuersten Version des heute Machbaren – ohne Rückischt auf Wirtschaftlichkeit und Ökologie.

Für Zwuckelmann hat das Alternativkonzept Kopfbahnhof21 zwei Dimensionen. Die eine ist der praktische Nutzen für das Land, insbesondere den Großraum Stuttgart, „eine der wichtigsten Wirtschaftsregionen Deutschlands“. Er schwärmt von zukünftiger Wertschöpfung, neuen Arbeitsplätzen, riesigen Chancen für die Stadtentwicklung – wo doch neuerdings die Menschen wieder vom Land in die Städte drängen. „Es gibt in Deutschland keine Stadt, die einen so tollen Bahnhof, der durch Modernisierung noch viel toller gemacht werden könnte, vor der Brust hat.“ Kann man einer solchen Versuchung widerstehen? „Jetzt sage ich mal ganz salopp: Sind wir denn mit dem Klammerbeutel gepudert?“

Es gibt aber noch eine zweite Dimension. Da geht es bei Zwuckelmann ums Grundsätzliche, um den Standort Deutschland. „Wenn wir nicht mehr den Mut haben, solche unvernüntigen Vorhaben wie S21 zu torpedieren, dann können wir einpacken.“ Zwuckelmann sagt, er sei bei Stuttgart nicht nur deshalb „so kämpferisch unterwegs, weil mir der bestehende Bahnhof so am Herzen liegt“. Das auch. Aber es gehe um Höheres. „Wenn ich jetzt Zugeständnisse mache, obwohl das Wahnsinnsvorhaben Stuttgart21 überhaupt nicht demokratisch legitimiert und wirtschaftlich unsinnig ist, dann setzen wir ein falsches Zeichen für alle Baustellen in Deutschland und zeigen, dass es uns egal ist, ob für viele, viele Milliarden Euro wirtschaftlicher Unsinn gebaut wird.“ Deutschland gelte in der Welt auch deshalb etwas als Wirtschaftsstandort, weil vernünftige Planungs- und Investitionssicherheit herrsche und mit wenigen Ausnahmen eben keine stark ausgeprägte Großmannssucht. Dies gelte es zu bedenken.

Zu den Kosten des Projekts sagt Zwuckelmann: „Die Größenordnung wird nicht stimmen.“ Er werde keinen genauen Betrag nennen, doch gehe er davon aus, dass die Sollbruchstelle von etwas über 4,5 Milliarden Euro deutlich überschritten werde. So viel verspricht er: „Ich lasse nach der Volksabstimmung mit dem Widerstand nicht nach.“ Wenn er wieder etwas über Kostensteigerungen erfahre, werde er genauso weitermachen wie bisher. Denn „in dieser Welt kommt alles heraus“. Sollte die Volksabstimmung dazu führen, dass die Landesregierung die Finanzierungsvereinbarung kündigt, dann werde er sich freuen und gespannt beobachten, auf welcher Grundlage die Bahn ihren vollkommen utopischen Schadenersatz fordern will. Nicht, weil er ein böser Mensch sei, sondern weil er ein ehrlicher, aufgeklärter Bürger einer demokratischen Gesellschaft ist, von der Schaden abzuwenden alle moralisch verpflichtet sind. Für den Fall, dass es zur Kündigung kommt, sagt Zwuckelmann eine „jahrelange Schadenfreude“ voraus.

Gute Stimmungslage

Aber kommt es soweit? Einer der vielen Sprecher der Parkschützer sagt: Die Stimmungslage ist gut. „Unser Problem ist – oder besser gesagt: unsere Herausforderung ist –, wie bringen wir die Befürworter des Ausstiegs zur Volksabstimmung?“ Schließlich könne die hohe Hürde des Zustimmungsquorums viele Ausstiegsbefürworter zu der Annahme verleiten, die Sache sei ohnehin gelaufen. Dieses Problem – oder managermäßig formuliert –, diese Herausforderung (challenge!) sieht auch Zwuckelmann: „Es muss uns gelingen, jemand, der in Konstanz lebt, zur Wahl zu bringen.“ Und dann muss der Konstanzer, der gegen Stuttgart 21 sein will, im heraufziehenden Winternebel über dem Bodensee auch noch so weit durchblicken, dass er als Ausstigesbefürworter von Stuttgart 21 bei der Volksabstimmung mit Ja votieren muss, nämlich für die Kündigung der Finanzierungsvereinbarung. Schwierig. Zwuckelmann ist dennoch optimistisch. Sein ganzes Leben habe er nach einer Devise gelebt: „Wenn du dich selbst mit Herz und zivilem Ungehorsam gegen unsinnige Projekte einsetzt, dann kriegst du etwas dafür.“ Und gegen Stuttgart 21, findet er, hat er schon jetzt ziemlich viel Ungehorsam gebracht. Im Schlossgarten bei den Parkschützern ist allen Widerständlern der Applaus sicher.“

 

(Original unter: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.volksabstimmung-ante-portas-grube-brennt-fuer-stuttgart-21.3d285a27-5280-4ae1-b7d1-a4568d1d5867.html)

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8 Antworten zu 20.10.2011 #s21 Auch Zwuckelmann will Referendum nicht torpedieren!

  1. Arno Nühm schreibt:

    So kann man natürlich jeden Artikel umschreiben:“Parkschützer säubern den Park und halten sich an geltendes Recht.““S21-Gegner respektieren Recht und Gesetz und Bauarbeiter und helfen bei den Arbeiten.““Parkschützer fahren mit der S-Bahn durch Stuttgarter Untergrund und es passiert nichts Schlimmes.“ Moment, das haben wir doch wirklich…?!

  2. Zwuckelmann schreibt:

    Ach Arno, sei doch nicht ganz so humorlos! Natürlich geht das mit jedem Text 🙂

  3. Arno Nühm schreibt:

    Sei doch gelassener… 😉

  4. Arno Nühm schreibt:

    Noch eine Frage: Würdest du (generell) eine Mehrheitsentscheidung anerkennen?

  5. GeWe schreibt:

    Und der heutige Guttenberg-Preis geht an… ZWUCKELMANN!!! 🙂

  6. Zwuckelmann schreibt:

    @GeWe: nur dass ich keinen Dr. dafür kriege – und keinen dafür abgeben muss ;-)@Arno: Generell erkenne ich Mehrheitsentscheidungen an, selbstverständlich! Das ist das Wesen der Demokratie.Ich fürchte, dass ich Dich dennoch enttäuschen muss, denn mir ist das Ergebnis der Volksabstimmung eigentlich egal. Es wird ja nur über die finanzielle Beteiligung des Landes abgestimmt und es geht nicht darum, ob S21 gebaut werden soll oder nicht. So oder so bleiben die Aspekte, derentwegen ich auf die Straße gehe, bestehen, so dass es für mich unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung keinen Grund gibt, mich mit S21 abzufinden. Meine Gründe habe ich ja nun oft genug zum Besten gegeben – dass sich das Land an der Finanzierung beteiligt, gehörte bisher nicht zu ihnen.Die Volksabstimmung wiegt das Defizit der fehlenden demokratischen Legitimierung nicht auf – auch wenn das viele behaupten.

  7. GeWe schreibt:

    Wie man gesehen hat, ist der Guttenberg-Preis auch eher mit einem Tritt in den Hintern dotiert. Also Deckung! 😉

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