5.10.2011 #s21 Der Morgen rund ums GWM

Zu Beginn:

Lieber Herr Weinstock,
wir kennen uns als ruhige und überlegte Menschen, die professionell und anständig miteinander umgehen. Ich schätze Sie für diese Art auch sehr! Zu loben ist grundsätzlich der Einsatz von Polizisten in der Konflikt-Schlichtung. Dass es so viele inzwischen davon gibt, ist sicher auch Ihnen zu verdanken. Jedoch möchte ich Sie auch nochmals in aller Öffentlichkeit dazu auffordern, die gelben AntiKonfliktTeam-Westen nur an Kollegen zu geben, die dieser Sache zu 100% gewachsen sind. Wie Sie richtig feststellten, war die Stimmung heute morgen am GWM gereizt – in meinem Verständnis ist das aber genau die Stimmung, in der es AntiKonfliktTeams braucht, denn aufgeheizte Stimmungen sind eben konfliktbehaftet!! Eine aufgeheizte Stimmung kann aber doch nicht ernsthaft eine Entschuldigung oder Erklärung dafür sein, dass uns Ihre Leute mit gelben Westen süffisant anlächen, uns „infantil“ nennen und sich einfach nicht deeskalierend verhalten, sondern die Wut nur noch anfachen! Wenn soetwas passiert, dann sind diese Kollegen für diesen Dienst nicht geeignet. Ich fordere Sie daher mit allem gegebenen Respekt dazu auf, speziell diese Kollegen besser auszubilden oder sorgfältiger auszuwählen. Andernfalls bleibt mir nur der Schluss, dass Sie es mit dem „Anti“ in der Teambezeichnung nicht so richtig ernst meinen – was ich aber nicht glaube! (Um sich von der Situation ein Bild zu machen, verweise ich Sie auf cams21, dort ist die Räumung der Sitzblockierer und die Unfähigkeit einiger Ihrer Kollegen dokumentiert.)
Bis später oder morgen früh an gleicher Stelle.

Nun zum Bericht:

Heute früh trieb mich die senile Bettflucht um kurz vor 4 raus in den Park. Es war still, kein Mensch am Biergarten, wenig Polizisten. Um Punkt 5 Uhr leuchteten an allen Beamten die Displays der Funkgeräte auf und es kam Bewegung in die Trupps. Der Bauzaun wurde geöffnet und Hamburger Gitter wurden herausgebracht. Der Bauzaun ist auf Parkseite nun vollständig mit Hamburger Gittern geschützt, hinter der die Beamten stehen. Es war ein ziemliches Gewusel und Kommen und Gehen. Auch die Berittenen waren wieder vor Ort.

Um 6 Uhr standen ca. 20 Leute vor der Einfahrt am GWM. Dort zählten wir zur Wachablösung über 80 Polizeiwannen, nach der Ablösung waren aber sicher noch immer 50 vor Ort. Um 6:30 waren es sicher bereits 40 Demonstranten, die 8 Baufahrzeuge an der Einfahrt hinderten. Obwohl so viele Polizeiwagen vor Ort waren, kam ein Polizist mit kleinem Megaphon herüber und verlas lustlos und in leierndem Ton und eben auch viel, viel zu leise den üblichen Spruch mit der AUfforderung zu gehen. Dann kamen die Truppen anmarschiert, räumten die Einfahrt, wobei alle beiseite gingen, und ließen die Fahrzeuge ins GWM fahren. Um 6:50 waren die Fahrzeuge drin.

Um 7:15 wollte der übliche Tross für die Platanenallee herausfahren. Hier gab es einige Sitzblockierer, die sich dem AntiKonfliktTeam gegenüber weigerten, beiseite zu gehen – was ihr gutes Recht ist, wenn sie dann die Konsequenzen tragen (wozu sie ja bereit waren). Die Polizisten waren mit dieser Situation aber ziemlich überfordert. Konflikte löst man eben nicht, indem man diskutiert, andere diffamiert oder belächelt, sondern indem man versucht zu verstehen, auf den anderen eingeht und vor allem ernst nimmt. Dies ist jedoch gründlich daneben gegangen – und hat im übrigen die Stimmung nur noch mehr aufgeheizt. Die Frauen wurden dann weggebracht und der Tross konnte herausfahren. Die Frauen bekamen einen Platzverweis, eine Frau wurde angeblich mit in Handschellen gebundenen Händen durchsucht – weil wir ja so rabiat sind.

Im GWM wurde weiter gerodet und Gitter abmontiert, um die Einfahrt zum Feldherrenhügel zu bauen. Ein paar Demonstranten waren dann noch an der Platanenallee und haben dort die Arbeiten behindert, so dass auch hier Polizei kommen musste. Um 8 bin ich gegangen.

Update: aktuell lese ich auf Twitter, dass im Schlossgarten gebaggert wird! Die Ausfahrt vom GWM zum Feldherrenhügel steht wohl inzwischen. Noch steht die Klage des BUND aus und auch ist es eigentlich ein Unding, dass die Bahn vor der Volksabstimmung weiterhin Fakten schafft – so als ob die Abstimmung nur eine Formalität wäre. Unfassbar!

Einen kurzen Kommentar kann ich mir über den heutigen StZ-Artikel nicht verkneifen: Wieder einmal stützt sich die Stuttgarter Zeitung allein auf die Pressemitteilung der Polizei, anstatt selbst vor Ort zu recherchieren. Wahr ist, dass gestern heftig am Bauzaun gerüttelt wurde. Es wäre ein leichtes gewesen, ihn einzureißen. Aber, liebe StZ, ist das passiert? Nein! Und warum nicht? Nicht etwa wegen des großen Polizeiaufgebots, das ja schon von Anfang an vor Ort war und nicht erst wegen des Gerüttels gerufen wurde. Nein, es ist nicht passiert, Weil wir vernünftig sind, weil wir intern deeskalieren und weil wir uns eben auch durch so eine Aktion nicht kriminalisieren lassen. Schade, dass der Weg vom Presshaus in Plieningen bis zum Bahnhof so sehr weit ist!

Oben bleiben!

P.S. Fotos liefere ich nach, verweise solange auf www.cams21.de

Fotos von heute morgen:

Fotos von heute Spätnachmittag:

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8 Antworten zu 5.10.2011 #s21 Der Morgen rund ums GWM

  1. gasconnor schreibt:

    Toll immer Deine Berichte zu lesen. Aber das Pressehaus steht in Möhringen in der Plieninger Straße- nur zur Info. Gabi  

  2. Arno Nühm schreibt:

    Die VA ist über die Ausübung von nicht vorhandenen Kündigungsrechten durch das Land BW. Die Bahn kann mit dem Land als Partner oder ohne es weiterbauen, mit direkter Finanzierung durch das Land oder über die Schadenersatzzahlungen. Warum sollte die Bahn warten?

  3. Weiterbauen schreibt:

    Natürlich baut die Bahn weiter. Wenn sie das nicht tut, dann entstehen Zusatzkosten, für die Ihr keiner eine Zahlung zugesagt hat.

  4. Weiterbauen schreibt:

    Zu folgendem Zitat: „[…] Sitzblockierer, die sich dem AntiKonfliktTeam gegenüber weigerten, beiseite zu gehen – was ihr gutes Recht ist, wenn sie dann die Konsequenzen tragen (wozu sie ja bereit waren) […]“ —Nein es ist nicht ihr Recht. Es ist auch nicht das Recht des Bankräubers, eine Bank zu überfallen, wenn er dafür die Strafe akzeptiert.

  5. Zwuckelmann schreibt:

    @Weiterbauen: man sieht hier gut Ihr krudes, undifferenziertes Rechtsverständnis, was absolut realitätsfer ist. Aktionen des zivilen Widerstands können Sie nicht mit einer Straftat wie einem Banküberfall vergleichen. Das macht ja nicht einmal das Gericht. Bitte nicht ganz so polemisch!

  6. Arno Nühm schreibt:

    @Zwuckelmann: Das Gericht verurteilt auch S21-Gegner wegen Straftaten und hat dies bereits zig-mal gemacht.Gibt es bei Ihnen gute Straftat/schlechte Straftat? Legen Sie fest, was gut/schlecht ist? Wer gibt Ihnen das Recht?

  7. Weiterbauen schreibt:

    @Zwuckelmann Vielleicht ist mein Punkt nicht ganz klar geworden, daher versuche ich nochmal eine Erläuterung. Ich will natürlich die Ereignisse aus Ihrem Bericht nicht mit einem Banküberfall vergleichen. Vergleichen möchte ich die Argumentation und Rechtfertigung. Die ist in beiden Fällen: Das Verbotene ist mein Recht, wenn ich nur die Strafe akzeptiere. Das halte ich für keine zulässige Argumentation, und wollte es daher mit diesem extremen Beispiel verdeutlichen. Denn wenn die Argumentation zulässig wäre, müsste sie es ja in beiden Fällen sein.

  8. Zwuckelmann schreibt:

    @Weiterbauen: jetzt verstehe ich Ihr Argument – und im Prinzip gebe ich Ihnen Recht. Aber: für die Beurteilung einer Straftat ist das Motiv von zentraler Bedeutung. Und da gibt es durchaus Unterschiede, die zu vollkommen unterschiedlichen Rechtsauslegungen von zum Beispiel Sitzblockaden führen. Für das eine Gericht ist eine Sitzblockade eine Nötigung und damit eine Straftat, für ein anderes Gericht ist es das nicht und Sitzblockaden sind vom Versammlungs- und Demonstrationsrecht gedeckt. Es gibt eben nicht nur Schwarz oder Weiß – und in dieser Grauzone bewegen wir uns. Sie legen unser Verhalten eher schwarz aus, ich eher sehr hellgrau.

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