#s21 #k21 Das Gleichnis von der Leistungsfähigkeit

Stell Dir vor, Du fährst einen alten Daimler. Er ist groß, er ist bereits älter, aber er tut zuverlässig seinen Dienst. Er hat eine grüne Plakette und der Verbrauch hält sich beim Fahren auch im Rahmen, wenn Du das Gaspedal nicht ganz durchdrückst. Immerhin hat er auch einen Fahrerairbag und einfach ganz viel Knautschzone.

Nun redest Du mit jemandem, der dir sagt, dass du ein Auto haben könntest, das doppelt so viel PS hat, wie der Daimler. Er ist kleiner und wendiger und sieht einfach chique aus. Kleiner Wermutstropfen: er kostet ziemlich viel, aber dafür würde er auch speziell für Dich gebaut. Du überlegst lange, wägst ab, sprichst mit Deiner Frau, mit Verwandten und Bekannten, die Dir teilweise sogar Geld leihen würden, denn der Wagen ist ja nicht ganz billig. Schließlich sagst Du zu und unterschreibst einen Vertrag mit dem Hersteller.

Kurze Zeit darauf sprichst Du mit einem guten Freund, von dem Du Dir auch Geld für das neue Auto geliehen hast, der Dich auf einige Dinge aufmerksam macht, an die Du so im Detail noch gar nicht gedacht hast. Er fragt dich, wie hoch denn der Verbrauch sein wird bei so viel PS. Er fragt Dich, ob Du denn dann auch mit allen Sicherheitsstandards rechnen kannst und ob so viel PS überhaupt in einem so kleinen Auto zulässig und möglich sind. Daraufhin gehst Du zum Hersteller und legst ihm eine Liste mit Fragen vor, die Du gerne noch beantwortet haben möchtest.

Nach drei Wochen erhältst Du die Liste ausgefüllt zurück. Auf der Liste steht, dass alle Deine Fragen positiv beantwortet werden konnten und dass an der ein oder anderen Stelle noch nachgebessert werden müsste. Vielleicht würde es auch etwas teurer werden.

Dann siehst Du Dir die Liste mal genauer an. Da steht dann: Das Auto wird doppelt so viel PS haben wie der alte Wagen, die dieser im Stadtverkehr bei 50 km/h benötigt. Dies entspricht absolut keiner Verdoppelung, sondern einer Steigerung von 30% mehr PS. Diese Leistungsfähigkeit wird auch dadurch erreicht, dass das Auto hinten größere Räder hat als vorne und das Auto deshalb etwas schief steht. Es gibt eine Ausnahmegenehmigung vom TÜV, so dass dieser Punkt kein Problem darstellt. Heute standardmäßig eingebaute Airbags und Sicherheitstechnik sind nicht vorgesehen, auch hier gibt es eine Sondergenehmigung, denn wenn es zu einem Unfall kommt, würde man ja im Zweifel auch von dem anderen Unfallteilnehmer oder von Passanten aus dem Auto gerettet. Im übrigen gibt es ja statistisch immer weniger Unfälle. Der Verbrauch ist relativ hoch, klar, es sind ja auch viele PS. Ob man eine grüne Plakette bekommt, lässt sich heute allerdings noch nicht sagen, da gibt es ein gewisses Restrisiko – aber das ist eben das Zugeständnis an die großartige Leistungsfähigkeit des Motors. Wenn es blöd läuft, kannst Du mit Deinem Auto nicht mehr in die Stadt fahren, sondern nur noch draußen auf dem Land. Vielleicht musst Du auch noch ein bisschen Geld nachschießen, so dass das ein oder andere Manko, das heute auch noch gar nicht vorhergesehen werden kann, ausgebügelt werden kann.

Ich frage Dich also: Was würdest Du nun tun? Ist Dir das Versprechen der doppelt so hohen Leistungsfähigkeit und des extravaganten Aussehens noch immer so viel Wert, dass Du auf all den anderen Standard, den heute jedes andere Auto aufweist, verzichtest? Oder würdest Du nicht versuchen, von dem Vertrag zurück zu treten, denn Du hast den Eindruck, dass man Dir doch den ein oder anderen Aspekt vor Vertragsabschluss verheimlicht hat oder so dargestellt hat, dass es so klang, als wäre alles in Butter und der Hersteller selbst heute so tut, als wäre alles gar kein Problem. Der Hersteller sagt natürlich, dass der Vertrag gültig sei und das Auto nun gebaut werden müsse. Du müsstest also im Zweifel gegen den Vertrag klagen. Wie entscheidest Du Dich?

 

Oben bleiben!

(Vielen Dank an den Radfahrer am GWM im Park, der mir dies Gleichnis in ähnlicher Form erzählte!)

Dieser Beitrag wurde unter Unkategorisiert abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.