2.6.2011 #s21 #norastuttgart Der heutige Donnerstag war kein schwarzer Donnerstag – auch wenn wieder Schlagstock und Pfefferspray eingesetzt wurden

Heute gab es in Stuttgart einmal mehr einen Polizeieinsatz mit Schlagstöcken und Pfefferspray und zahlreichen Verletzten. Der Verein Pax Europa, der trotz anders lautendem Selbstverständnis mit seiner Islamophobie und Fremdenfeindlichkeit durchaus rechtsextreme Positionen vertritt, veranstaltet an diesem Wochenende eine Vortragsreihe in Stuttgart. Den Auftakt bildete eine Kundgebung auf dem Stuttgarter Schlossplatz heute Nachmittag. Um diese Veranstaltung zu stören bzw. zu verhindern, versuchten mehrere Hundert linke Aktivisten, zum Schlossplatz vorzudringen und besetzten nach einem erfolgreichen Katz und Maus-Spiel mit der Polizei die kleine Veranstaltungsbühne vor dem Stadtmuseum. Während die Polizei versuchte, die Veranstaltung und die Veranstalter vor den Demonstranten zu schützen, kam es zu Rangeleien und dann auch zum Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray. Einige Aktivisten trugen Platzwunden davon und mussten genäht werden. Dass die Polizei auf Köpfe schlug, ist inakzeptabel und wird ein Nachspiel haben müssen. Als die Bühne dann wieder freigegeben wurde, versuchten die Veranstalter erneut, ihre rechten Parolen unter das Volk zu bringen und wurden erneut ausgepfiffen und es kam erneut zu Rangeleien. Schließlich war die Veranstaltung zu Ende oder wurde abgebrochen, unter Polizeischutz wurde die Bühne abgebaut und schließlich zerstreuten sich Aktivisten und Polizisten, so dass am frühen Abend Ruhe auf dem Schloßplatz einkehrte.

Was mir nicht behagt, ist, dass sehr schnell Parallelen gezogen werden zwischen dem 30.09.2010, als die Polizei gegen Tausende friedlicher Demonstranten im Schlossgarten mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken vorging, und dem heutigen Donnerstag – ein zweiter „schwarzer Donnerstag“, wie es aktuell über Twitter schwirrt. Diese Gleichsetzung ist verkehrt und leichtsinnig, relativiert sie doch den 30.09. und bläst im Gegenzug die heutige Aktion ungebührlich auf. Der Vergleich der heutigen Aktionen von linken Aktivisten mit dem friedlichen,  „gutbürgerlichen“, also breit unterstützten Protest im Schlossgarten verharmlost den vollkommen übertriebenen damaligen Polizeieinsatz und wird vor allem den Opfern des 30.09. nicht gerecht! Heute wurde mit der Polizei Räuber und Gendarm durch die Innenstadt gespielt, heute wurde nicht friedlich blockiert, sondern aktiv besetzt. Die Proteste waren heute nicht „gutbürgerlich“ im Sinne von breit in der Bevölkerung verankert, sondern „links“ im Sinne von hoch politisiert. Die Polizei wurde heute gereizt und ich hatte immer wieder den Eindruck, dass mancher Aktivist die Aggression der Polizei herauskitzeln wollte. Das heißt nicht, dass ich das brutale Vorgehen der Polizei gut heiße, ganz im Gegenteil! Denn es gibt für die Polizei immer verschiedene Optionen, mit solchen hochkochenden Situationen umzugehen. Und sie hat heute eine Taktik gewählt, die wieder nicht klug war – aber das ist auch die einzige Parallele zum 30.09.

Klug war das heutige Vorgehen der Aktivisten aber ebensowenig. Es gibt wesentlich wirkungsvollere Mittel, den geistigen Horizont einer öffentliche Veranstaltung bloßzustellen, als mit Gewalt die Veranstaltung selbst zu stören und eine Bühne zu besetzen. Damit gerät der Störer, auch wenn er das moralische Recht auf seiner Seite hat, selbst in schlechtes Licht, während der Veranstalter leicht zum Opfer und Märtyrer wird. Wie Kretschmann gestern auf dem Marktplatz bei seiner Bürgersprechstunde richtig sagte, heißt Demokratie Streit. Und Demokratie heißt auch immer, andere Meinungen zu ertragen, so schwer es oft auch fällt. Deshalb fand ich es auch gestern schade, dass die zwei Pro-ler nicht ausreden konnten, denn sie haben sich ja mit ihren dümmlichen, naiven Fragen schon selbst disqualifiziert – da hätte es gar kein Pfeifkonzert gebraucht. Warum hat man heute nicht einfach wirklich nur Lärm gemacht? Man hätte die Redner lächerlich machen können, hätte die Zuhörer in Diskussionen verwickeln können, hätte aufklären können, hätte die Veranstalter ja schon durch die massive Anwesenheit verunsichert, hätte duch eigene kreative Aktionen ablenken können. So aber, gerade auch mit den Bildern von schlagenden Polizisten und von am Kopf blutenden Verletzten, bleibt ein sehr schaler Nachgeschmack der gesamten heutigen Aktion! Ich wünsche allen Verletzten gute Besserung!

Friedlich bleiben!

Oben bleiben!

P.S. Die einzige wirklich Stärke des Widerstands gegen Stuttgart 21 – und im übrigen auch der Proteste in Spanien, Griechenland und in Nordafrika – ist die Friedlichkeit! Wer friedlich Widerstand leistet, hat jegliches Recht und jegliche Sympathien auf seiner Seite!

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14 Antworten zu 2.6.2011 #s21 #norastuttgart Der heutige Donnerstag war kein schwarzer Donnerstag – auch wenn wieder Schlagstock und Pfefferspray eingesetzt wurden

  1. Jo schreibt:

    genau!

  2. anonym schreibt:

    Dein Beitrag vermittelt den Eindruck, als ob die Aktionen des gestrigen Tages unfriedlich gewesen seien. Ich frage mich, was der unterschied zwischen „friedlich blockiert“ und „aktiv besetzt“ sein soll! Man muss immer aktiv sich an den Ort der Blockade bewegen und dort bleiben. Das ist das Wesen einer Blockade und absolut friedlich. Wenn man dann mit Pfefferspray und Schlagstock angeriffen wird, ist die Gegenseite unfriedlich.Eine Weitere Sache ist, dass du meinst, man hätte mit Lärm und kreativen Aktionen protestieren können! Aber wo frage ich mich! Am Hindukusch? Denn viel näher wäre man ohne aktiv zu werden nicht ran gekommen. Nach dem Demonstrationszug hatte die Polizei den Schlossplatz weiträumig abgesperrt. Gegenproteste wäre so ohne das sogenannte Katz-und-Maus-Spiel garnicht erst in Sicht- und Hörweite der rassistischen Veranstaltung gekommen.Und eine dritte Aussage deinerseits möchte ich noch korrigieren. Ja! Demokratie bedeutet auch immer andere Meinungen gelten zu lassen. Doch ist Faschismus und Rassismus noch eine Meinung, oder nicht eher ein Verbrechen? In dem Moment, wo die Auffassung eines Menschen oder einer Gruppierung die Freiheiten anderer Menschen einschränkt, in dem Moment entsteht ein Konflikt zwischen den Rechten beider Seiten und es muss abgewägt werden, was höher wiegt. Ich glaube nicht, besonders, wenn wir die Vergangenheit unseres Landes betrachten, dass das Recht gegen andere Nationalitäten, Ethnie, Religionen,… hetzen zu dürfen höher wiegt, als das Recht dieser Gruppen nicht diskriminiert und beleidigt zu werden und ihre eigene Kultur frei auszuleben. Daher ist es richtig und notwendig, dass wir Faschisten und Rassisten, wo immer sie ihre menschenverachtende Ideologie zum Besten geben, aktiv entgegen treten und ihenen keinen Raum für ihre Hetze lassen. Wir müssen zeigen, dass es für solche Ideologien keinen Platz in unserer Gesellschaft gibt, sonst gewähren wir ihnen diesen und sie werden ihn ausbauen. Das sind wir nicht zu letzt den zahlreichen Opfern des 3. Reiches schuldig.P.s.: Ich frage mich, wie sich ein ehemaliger KZ-Insasse des VVN-BdA fühlt, wenn ihm heute ein Rassist, welcher von unserer schwer bewaffneten Staatsmacht geschützt wird, vorwirft „das Gesicht des neuen Faschismus in Europa“ zu sein!

  3. Zwuckelmann schreibt:

    @anonym: in meinen Augen gibt es durchaus einen Unterschied zwischen der Blockade eines Bautors auf einer öffentlichen Straße und der Besetzung einer Bühne einer angemeldeten Veranstaltung.Zu Deinen weiteren Punkten: wer entscheidet, ob Meinungen tatsächlich Meinungen oder ein Verbrechen sind? Du? Die Mehrheit? Wir haben in Deutschland eines der höchsten Güter, die die zivilisierte Welt hervorgebracht hat, und das ist das Recht der freien Meinungsäußerung. Wenn jemand dieses Recht mißbraucht und hetzt, ist es Sache des Gerichts, dies zu verfolgen. Da die Grenze sehr schwer zu ziehen ist, werden auch Veranstaltungen wie von Pax Europa erlaubt.Wir leben noch immer in einem Rechtsstaat, und von diesem Verlange ich, dass er die Rechte von Minderheiten schützt – im Zweifel auch mit Polizeigewalt so wie gestern geschehen. Dass der Einsatz von Schlagstöcken nicht angemessen war, steht ja gar nicht zur Debatte, aber ich finde es anmaßend, dass eine Gruppierung sich erlaubt, zu entscheiden, ob eine Meinung ein Verbrechen ist und deshalb unterbunden werden muss. Da sind wir nahe an der Selbstjustiz und das geht in einem Rechtsstaat nunmal gar nicht. Protest ist in Ordnung, aber eben in rechtsstaatlichen Grenzen.

  4. Me schreibt:

    Wie kann man eigentlich so einen Scheiß schreiben???Der schwarze Donnerstag von S21 war keines wegs „friedlich“. Die Demonstranten haben die Polizei 4 Stunden lang provoziert und gereizt. Wenn man dann so dumm ist und sich in den Wasserwerferstrahl stellt, ist man selbst schuld.Wenn sich die dumme Minderheit von S21-Gegner oimmer so aufbauschen muss, kann die Polizei auch net die ganze Zeit zuschauen.Und der aktuelle Fall von letztem Donnerstag hat bestimmt breiteren Zuspruch in der Gesellschaft, als die Idioten, die gegen einen längst beschlossenen Bahnhof demonstrieren und wöchentlich die Stadt blockieren.

  5. Weiterbauen schreibt:

    @Me Stimme Ihnen vollkommen zu.

  6. Carll schreibt:

    @anonym: “ Doch ist Faschismus und Rassismus noch eine Meinung, oder nicht eher ein Verbrechen?“ Opps, ist das nicht eine faschistische Argumentation wie sie im Buch steht? Die Rechte Andersdenkender werden von mir ausser Kraft gesetzt, da diese in meinen Augen verbrecherische Ansichten äussern..Bitte mal die Strassenkämpfe und Argumente der 1930er Jahre studieren. Wir sind doch alle froh, dass wir heute einen Rechtsstaat haben, in dem Gerichte entscheiden, ob eine Versammlung stattfinden darf und ob eine öffentliche Meinungsäusserung gegen Gesetze verstösst. Und nicht der politische Gegner mit der Macht der Strasse, egal wie moralisch überlegen er sich fühlt.

  7. Zwuckelmann schreibt:

    @Me: offensichtlich waren Sie am 30.09.2010 nicht im Schlossgarten, sonst könnten Sie so etwas nicht behaupten. Im übrigen ist die Polizei bis heute stichhaltige Beweise schuldig, wer sie wie und wo tatsächlich aggresiv und unfriedlich angegangen hat. Und bitte kommen Sie mir jetzt nicht mit dem einzigen vermummten Mann, der eine Flüssigkeit gegen die Polizei sprüht!

  8. Weiterbauen schreibt:

    @Zwuckelmann Es gibt genügend Belege. Wenn beispielsweise von Jugendlichen ein Polizeifahrzeug erklettert wird, hat die Polizei natürlich das Recht und die Pflicht, diese von dort zu entfernen.@Carll Zustimmung

  9. Zwuckelmann schreibt:

    @Weiterbauen: Oh, richtig, weil Jugendliche auf ein Polizeifahrzeug geklettert sind, darf die Polizei Tränengaas, Schlagstöcke und Wasserwerfer einsetzen! Verhältnismäßigkeit zählt bei uns ja nicht! … Also mal ganz im Ernst: es war so viel Polizei vor Ort, da ist es generell schon bemerkenswert, wie es den Jugendlichen überhaupt gelingen konnte, an den Wagen zu gelangen. Aber unabhängig davon, kann das doch nicht ernsthaft die Begründung sein für das, was später geschah! Und das meine ich eben: es wird immer gesagt, dass es genügend Belege gebe und dann wird entweder auf diese 10 Jugendlichen verwiesen oder auf Kastanienwerfer oder auf den angeblichen Tränengassprüher. Mehr habe ich bisher noch nicht gesehen. Eine wirklich stichhaltige Begründung gibt es bis heute nicht!

  10. Weiterbauen schreibt:

    @Zwuckelmann Die Bahn hat Baurecht. Ein Recht zum Blockieren gibt es nicht. Wir sind immernoch ein Rechtsstaat. Ob gebaut wird entscheiden Parlamente und Gerichte, nicht die Straße. Das allein rechtfertigt die Maßnahmen. Wer nach der 10ten Warnung vor Wasserwerfern und anderen Maßnahmen den Platz nicht räumt ist selbst Schuld.Das sehe ich ganz klar so. Das Gewaltmonopol hat die Polizei.

  11. Zwuckelmann schreibt:

    @Weiterbauen: nochmals: es gibt ein Recht auf zivilen Widerstand – im übrgen tragen wir ja auch die Konsequenzen für unser tun und zahlen die Strafen für die Anzeigen! Insofern funktioniert der Rechtsstaat in BW noch wunderbar. Wie können allerdings Gerichte und Parlamente über ein Projekt entscheiden, wenn ihnen bei ihrer Entscheidung nicht alle relevanten Fakten vorlagen?Und Ihre Anmerkung zum Wasserwerfereinsatz ist einzig und allein menschenverachtend, nicht mehr und nicht weniger! Das Gewaltmonopol hat der Staat, aber es darf es deshalb doch nicht missbrauchen!

  12. Carll schreibt:

    @Zwuckelmann:Der Polizeieinsatz war wohl in einzelnen Fällen unverhältnismässig, wobei die Situation der Polizei bei derart grossen Menschenmengen und einigen gewalttätigen Teilnehmern nicht leicht ist. Bezüglich zivilem Ungehoram liegt aber bei Ihnen ein Missverständnis vor. Es kann wohl der Einzelne für sich entscheiden, dass ein Gesetzesbruch aus für ihn moralisch höherwertigen Zielen heraus gerechtfertigt ist, z.B. keine Steuern zu zahlen oder jemandem, den er für einen Neonazi hält, die Nase einzuschlagen.Der Gesetzgebenr hat aber keinen Paragraphen „ziviler Ungehorsam“ vorgesehen, auf den man sich dann berufen kann. Sondern man nimmt eben die Strafe auf sich, wandert im Extremfall also ins Gefängnis, da einem das die Sache wert ist und man den Verstoss gegen die Gesetze mit seinem Gewissen ausmacht. Ich denke, jeder sollte hier sehr vorsichtig sein und nur bei eindeutigen schwerwiegenden Verstössen gegen Menschenrechte einen Gesetzesbruch begehen, insbesondere wenn dabei andere Menschen zu Schaden kommen können. Stuttgart 21 ist für mich kein derartiger Fall. Zu bedenken ist vor allem, dass sich immer auch die Gegenseite auf „zivilen Ungehoram“ berufen kann, und dann ist anstelle des staatlichen Gewaltmonopols der Anfang zum Bürgerkrieg gemacht.

  13. Zwuckelmann schreibt:

    @Carll: ich sprach von einem Recht auf zivilen Ungehorsam, nicht von einem Gesetz. Ich für meinen Teil versichere Ihnen, dass ich mein Recht auf zivilen Ungehorsam nicht leichtfertig wahrnehme, sondern durchaus sehr genau abgewogen habe, was ich warum tue. Ich glaube nicht, dass es dieses Recht nut bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen oder ähnlichem gibt. Da bei S21 letztlich die Bürger nicht entscheiden konnten, ob sie S21 möchten oder nicht, empfinde ich es als legitim, zu blockieren und meinen Unmut über diese Mißachtung zum Ausdruck zu bringen. Andere irgendwie wirkungsvolle Mittel gibt es aktuell nicht – das ist das Problem.(Natürlich gab es immer wieder Wahlen, bei denen S21 eine Rolle hätte spielen können – aber bis 2009, als schließlich die Finanzierung stand, hat S21 bei Wahlen keine Rolle gespielt und war für die Stimmabgabe nicht entscheidend. Die einzige wirkliche Möglichkeit der Stuttgarter Bürger, über S21 abzustimmen, hat Herr Schuster nach seiner Wahl schnell rechtlich unmöglich gemacht – schon damals gehörte ihm der Nahme OberBÜRGERmeister aberkannt.)

  14. Carll schreibt:

    Mehr direkte Demokratie (Schweiz) wäre gut, dann könnten solche Konflikte in einem geordneten demokratischen Verfahren entschieden werden. So bleibt doch der Beigeschmack, dass sich derjenige durchsetzt (und sei es nur zeitweise), der die Strasse beherrscht. Bin mal gespannt, wie es mit den Protesten nach dem Volksentscheid im Herbst weitergeht.Es wurde eine sicher kontroverse und wichtige Frage von den Grünen für ihre Zwecke instrumentalisiert. Wobei es genausogut gegen einen Autobahn-Ausbau und für den Bahnhofs-Ausbau hätte gehen können, ich bin sicher, die gleichen Leute hätten auch dann mitgemacht.

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