Erwiederung und Kritik zum StZ-Artikel „Nach 75 Montagsdemonstrationen“

Erwiederung und Kritik zum StZ-Artikel
„Nach 75 Montagsdemonstrationen
Jetzt wird nicht mehr argumentiert, sondern agitiert“
vonThomas Braun und Jörg Nauke

„Stuttgart – Als sich das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 im Oktober 2010 anschickte, die 50. Auflage der montäglichen Protestaktion zu zelebrieren, herrschte an qualifizierten Rednern kein Mangel. Hilde Mattheis, die Vizelandeschefin der SPD, kam zum Zug – und das legendäre Kabarettistenduo Urban Priol und Georg Schramm. 25 Montage später ist das Bild auf der Protestbühne und davor ein gänzlich anderes.
Es strömen längst nicht mehr Zehntausende zu den Veranstaltungen wie in der heißen Phase vor der Schlichtung – das haben auch selbst die eingefleischtesten Gegner nicht erwartet. Mit rund 1500 hartnäckigen Gesinnungsgenossen ist die wöchentliche Veranstaltung zwar immer noch stärker frequentiert als die meisten anderen Demos in der Republik. Grundsätzlich geändert hat sich jedoch das Niveau der Redebeiträge. Nicht nur der inzwischen aus dem veranstaltenden Aktionsbündnis ausgeschiedene Widerstandsgründer Gangolf Stocker hat am vergangenen Montag den Kopf geschüttelt über die Verschwörungstheorien von Jürgen Merks vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), dem Geologen Ralf Laternser sowie dem Stuttgarter Linken-Stadtrat Tom Adler. Grünen-Fraktionschef Werner Wölfle hatte die Veranstaltung im Internet verfolgt. Er wundert sich darüber, „dass es dafür auch noch Applaus gibt. Hören die Leute denn nicht zu?“ Wie Stocker fragt sich nun auch Wölfle: „Was können wir tun, dass der gute Ruf des S-21-Widerstands nicht Schaden nimmt?““

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Ich gehe wöchentlich zur Demo und kann kein so sehr unterschiedliches Bild zwischen den Demos feststellen. Wie die Autoren richtig sagen, sind aktuell keine 10.000 auf der Straße, aber über 1.000 jeden Montag zu aktivieren, ist ja nicht schlecht – und zeigt zumindest, dass es eine große Schahr unzufriedener Bürger gibt.
Gangolf Stocker ist niemals aus dem Aktionsbündnis ausgeschieden. Er und sein Verein sind natürlich im Aktionsbündnis, Stocker ist nur nicht mehr Sprecher des Bündnisses. Einen solchen fundamentalen Fehler darf ein seriöser Journalist eigentlich nicht machen – und es sieht eher so aus, als ob hier absichtlich der Anschein geweckt werden soll, dass das Bündnis zerfalle.
Die Qualität der Reden wechselt ständig von Mal zu Mal. Dass es rhetorische Höhenflüge gibt genauso wie Abstürze ist nichts Neues und bei dieser hohen Anzahl an Demonstrationen sicher nicht verwunderlich. Warum diese eine Montagsdemonstration nun für eine Bestandsaufnahme des Widerstands herangezogen wird, ist eine eigenartige und nicht sehr faire Methode. (Übrigens konnte man durchaus feststellen, dass Applaus nicht gleich Applaus ist und es durchaus Unterschiede in der Zustimmung zu einzelnen Redebeiträgen gibt. Das wird Herrn Wölfle wahrscheinich über den Internetstream entgangen sein.)
++++schnapp++++

„Wer ehrenamtlich 75 Veranstaltungen zum selben Thema organisiert, kann nicht jeden Montag einen Starredner präsentieren. Die 74. Demo brachte nicht mehr als einen Aufguss längst bekannter Fakten und Forderungen wie jenen nach einem öffentlichen Stresstest. Schwachpunkte hat es in der langen Geschichte des Montagsprotests immer wieder gegeben, wenn Einzelne versuchten, den Widerstand auf besondere Weise anzuheizen. Erinnert sei auch an das „Gelöbnis“, sich für den Kopfbahnhof einzusetzen, das Andreas Keller, Mitbegründer der Internationalen Bachakademie, mit den Demonstranten gesprochen hat. Oder an die These der Grünen-Stadträtin Clarissa Seitz, der Abriss des Bahnhofsnordflügels sei mit der Zerstörung der Buddhastatuen durch die Taliban in Afghanistan vergleichbar. Unvergessen bleibt auch der Auftritt einer Ärztin, die allen Ernstes Stuttgart 21 in einem Atemzug mit der atomaren Katastrophe im japanischen Fukushima beklagte.
Mittlerweile scheint das Ziel, sachlich zu informieren und fundiert zu argumentieren, zunehmend aus dem Blickfeld zu geraten; stattdessen wird agitiert. So befand Stocker am Rande der jüngsten Montagsdemo, der Geologe Laternser lebe „seinen persönlichen Kleinkrieg mit dem städtischen Umweltamt auf der K-21-Bühne aus“. Der Amtsleiter Werner Flad und sein Mitarbeiter, Professor Wolfgang Ufrecht, seien verantwortlich für den angeblichen „Murks“ beim Grundwasser, behauptete Laternser, ohne dies schlüssig zu begründen. Wundern durfte man sich auch über die Aussage von BUND-Mitarbeiter Jürgen Merks im Zusammenhang mit dem Rücktritt des Projektleiters Hany Azer, „Leichen“ pflasterten den Weg von Stuttgart 21.“

++++schnipp++++
Wir können doch nur die Fakten und Forderungen wiederholen und wiederholen! Dadurch werden sie doch nicht verkehrt. Und wie sollte über Neues informiert werden, wenn so gut wie alle Fakten und Informationen von Seiten des Widerstands auf dem Tisch liegen und gleichzeitig nicht ernst genommen werden? Übrigens gehört zu jedem Widerstand auch Agitation.
Und wenn sich nach einer so langen Planung die Bahn, die Ämter und Behörden mal eben bei der zu bewältigenden Menge im Grundwassermanagement um den Faktor 2 vertun, darf man das guten Gewissens „Murks“ nennen. Dass das Amt Herrn Latensers und manch anderer Bürger kritische Anfragen chronisch ignoriert, baut nicht gerade Vertrauen auf und darf durchaus als berechtigter Grund dienen, an diesen Ämtern und ihren Leitern Kritik zu üben. Immerhin sind Ämter normalerweise ihren Bürgern auskunftspflichtig.
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„Unbewiesen blieb zudem seine These, Politik und Presse ignorierten die Forderungen der Montagsdemonstranten, um das „Netzwerk der Macht zu schützen“, während der Widerstand der Bevölkerung gegen die Unrechtsregime im Nahen Osten täglich thematisiert würde. Dessen ungeachtet werden Zeitungsartikel, die die eigene Position bestätigen, gern zitiert – solche, in denen auch Befürworter des Projekts zu Wort kommen, dienen dagegen als Beleg für mafiöse Strukturen und werden nicht selten mit der Aufforderung zum Presseboykott verbunden.
Wenn man Tom Adler richtig verstanden hat, dann sind aber die Vorstände der Automobilkonzerne die wahren Bösewichte. So lasse Daimler-Chef Dieter Zetsche Werke in China bauen, um den Stuttgartern das Wasser abzugraben. Schlimmer sei nur noch der SPD-Landeschef Nils Schmid: Der produziere nur Worthülsen.“

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Die These ist nicht unbewiesen, sondern wird einmal mehr gerade durch diesen Artikel fundiert belegt. Ein kritisches Augenmerk auf das Tun von Zetsche und Co. zu haben und die Gründe für ihre Befürwortung von S21 zu hinterfragen, darf doch nicht Gegenstand von Kritik sein, ist eigentlich ureigenste Aufgabe einer Zeitung, die sich unabhängig nennt, und deren Journalisten! Leider wird man das Gefühl nicht los, dass die Stuttgarter Zeitung samt ihren Journalisten, allen voran Herrn Nauke, gar kein Interesse daran hat, ein bisschen genauer hinter die Kulissen von S21 zu schauen. Jüngstes Beispiel: dass plötzlich doppelt so viel (!!??) Wasser abgepumpt werden muss als geplant, um den Bahnhof zu bauen, wird zwar in einem Artikel der StZ berichtet, durchaus angebrachte kritische Töne, wie so etwas nach 15 Jahren Planung und kurz vor dem Baubeginn passieren kann, sucht man aber vergeblich. Weitere Beispiele finden sich leider zu Hauf. Von einer unabhängigen Zeitung und von redlichem Journalismus zu reden, verbietet sich leider.
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Eine Antwort zu Erwiederung und Kritik zum StZ-Artikel „Nach 75 Montagsdemonstrationen“

  1. Peter Demphli schreibt:

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