Vier Töpfe und ein Ausstiegsgespenst

Nun ist der Kostendeckel also auch offiziell gesprengt. Doch beendet wird Stuttgart21 deswegen noch lange nicht. Zu gut verdient die Bahn an unseren Steuermilliarden. Und deswegen lässt sich die Bahn auch allerlei einfallen, um weiterbauen zu können und zumindest für sich den Schaden zu begrenzen.

Jetzt sollen also, wenn es nach der Bahn ginge, neben dem Finanzierungstopf drei weitere Töpfe parat gestellt werden, in die man die Mehrkosten, die in den gedeckelten Topf nicht mehr hineinpassen, hinein sortiert. Die Logik der Bahn ist geschickt:

  • Topf 0: Dieser Topf ist der Topf, der die 4,5 Mrd. Euro enthält und der nun übergelaufen ist. Der Überlauf wird, wenn es nach der Bahn geht, neu „sortiert“.
  • Topf 1: Dieser enthält die Mehrkosten, die die Bahn selbst zu verantworten hat, also die Mehrkosten, die durch ihre eigenen Planungsfehler entstanden sind.
  • Topf 2: Dieser enthält die Mehrkosten, die durch Änderung der Rahmenbedingungen entstanden sind, also beispielsweise die Verschärfung der Brandschutzregelungen. Diese Mehrkosten werden aus dem bisherigen Risikotopf bezahlt. Wenn dieser erschöpft ist, kommt die ominöse Sprechklausel zum Tragen.
  • Topf 3: In diesen wird alles hineingefüllt, was strittig ist, also die Mehrkosten für den angeblich durch Volkes Wille verbesserten Filderbahnhof, die Schlichtungskosten etc.

Die Kalkulation der Bahn ist klar: Topf 1 wird sie selbst buckeln. Topf 2 wird vom Volumen her schön gerechnet, so dass dieser möglichst noch in den Topf 0 passt. Um Topf 3 werden sich die Projektpartner streiten und auch vor Gericht gehen. Bis geklärt ist, wer diese Kosten trägt, wird die Bahn unter Berufung auf  ihr Baurecht weiterbauen.

Begleitend wird von der Bahn laut und regelmäßig behauptet, dass ein Ausstieg aus dem Projekt teurer wäre, als ein Weiterbau. Doch das ist eine pure unbewiesene Behauptung. Leider scheinen unsere Politiker dieses Schreckgespenst bisher zu glauben, dabei reichen ein Blick auf die Baustellen und ein paar Grundkenntnisse in Jura und BWL, um schnell erkennen zu können, dass es sich tatsächlich nur um ein Schreckgespenst handeln kann. Wenn überhaupt wird ein Ausstieg nur für die Bahn selbst teurer als der Weiterbau, nicht jedoch für den Steuerzahler! Je teurer Stuttgart21 wird, desto höher ist der Gewinn der Bahn, das ist die absurde Logik dieses Projekts.

Der einzige Weg, diesen Schlamassel zu verhindern, besteht letztlich darin, dass sich Kretschmann und Kuhn am Riemen reißen, ein Machtwort sprechen und diesem Schmierentheater gemeinsam ein Ende bereiten – mit allen möglichen Folgen, die ein solcher Schritt haben kann. Ob die beiden so viel Mumm besitzen, ist jedoch eher zweifelhaft. Kretschmann wird sich weiter hinter der Volksabstimmung verstecken und sagen, dass die Bahn bauen darf, solange das Land nicht mehr zahlt. Fritz Kuhn wird den Gemeinderatsbeschluss umsetzen und einen Bürgerentscheid auf den Weg bringen, damit auch er ein Bürgervotum hat, hinter das er sich verstecken kann, um nicht selbst entscheiden zu müssen. Und selbst wenn der Bürgerentscheid zu Ungunsten von Stuttgart21 ausginge, hieße das nur, dass sich auch die Stadt an Mehrkosten nicht beteiligen würde. Ein Stopp von S21 hieße das noch lange nicht – vor allem, wenn die Bahn erst einmal im Rahmen der 4,5 Mrd. Euro baut und die Mehrkosten, über die es dann ein langjähriges juristisches Tauziehen geben wird, ausgeklammert werden.

Und wer ist der Dumme? Richtig, der Steuerzahler und vor allem der Stuttgarter Steuerzahler, der mitansehen muss, wie durch ein vollkommen unprofessionelles Immobilienprojekt existenzielle Infrastruktur zurückgebaut und ein Teil der Innenstadt und des innerstädtischen Naherholungsgebiets zerstört wird.

Wir sind noch lange nicht am Ziel! Wir müssen auf der Straße bleiben!

Oben bleiben!

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6 Antworten zu Vier Töpfe und ein Ausstiegsgespenst

  1. horstosius schreibt:

    Hallo Zwuckelmann,………….Kretschmann wird sich weiter hinter der Volksabstimmung verstecken und…………..aber dazu hat er -wie auch die Bahn“AG“- keine Legitimation. Jedenfalls habe ich dies aus der mir erst kürzlich zugegangenen Aussage der Landeswahlleiterin Friedrich so interpretiert. Oder habe ich da was falsch verstanden?
    „……..Nachdem die Gesetzesvorlage die nach der Landesverfassung erforderliche Stimmenmehrheit nicht erreicht hat, hat sich insoweit auch keine Änderung der Rechtslage ergeben……“.
    Die JA/NEIN-Kampagne war eben nur ein Joke der neuen Akteure von GRÜNROT.
    Offensichtlich gelten nachwievor „nur“ die unter (Oettinger?) Mappus und Gönner unterzeichneten Geheimverträge mit der Bahn“AG“. Das MVI unter seinem Präsidenten W. Hermann traut sich nicht die „Gift“Akten zu öffnen. Nicht immer wieder später, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, endlich so zu handeln, wie es die Regierung 2011 versprochen hatte: transparente Politik, nicht nur des Gehörtwerdens.
    Denn eines ist doch unbestreibar, die jetzt vorgesehene Aufstockung um 1 Mia. für Planungsdefizite ist doch erst der Anfang einer unendlichen Addition von „tatsächlichen“ Mehrkosten, die mit geologischen Erschwernissen während der echten Bauzeit in den 60 km langen Tunneln zu beziffern sein werden. Denn: „die (Millionen) im Dunkeln sieht man nicht“.
    Ein 10-Jahresprojekt ohne Kostenpuffer in Angriff zu nehmen ist und bleibt ein Thriller in der Global Player Geschichte des schwäbischen Understatements. Wenigstens einmal im Leben ein großes Ding drehen. Das war’s also.

  2. seriousguy47 schreibt:

    Der Steuerzahler ist in jedem Fall der Dumme. Darauf beruht dieser ganze geisteskranke Schwachsinn ja am Ende. Das ist ja auch die tiefere Bedeutung der „politischen Verantwortung“. S21 soll vermutlich sogar wegen des ganzen Irrsinns durchgezogen werden: als Referenzprojekt dafür, dass DEUTSSCHE „Ingenieurskunst“ auch das Unmögliche möglich macht. Die Privatwirtschaft könnte so etwas niemals riskieren, sonst würden die verantwortlichen Manager ziemlich schnell mit Millionenabfindung in ihre Villen zurückgeschickt. Und das ist doch sooo schlecht fürs Ego.

    Wenn Manager und Ingenieure also mal spielen wollen, setzen sie ihre Drückerkolonnen auf die Idioten in der Politik an. Und in diesem Fall haben sie sich zusätzlich abgesichert und rechtzeitig einen für zwanghaftes Abnicken und Milliardenpleiten erwiesenermaßen Hochkompetenten aus ihren Reihen an der Bahnspitze installieren lassen. EIn Segen für Daimler und eine Katastrophe für Stuttgart und die Bahn.

    http://www.handelsblatt.com/unternehmen/koepfe/zetsches-ausputzer;1174460

    Die Milliardengrube hat jetzt nicht nur einen passenden Namen, Grube hat in seinem Werdegang auch hinreichend bewiesen, dass er ein Hochleistungs-Abnicker von allem ist, was ihm zum Abnicken vorgelegt wird. Und diese Qualität“ war es wohl auch, die ihn auf der Karriereleiter nach oben führte und seine rückgratlose Abnickerei immer weiter verstärkte. Gönner, die solches schätzen und kritische Begleitung ihres Egos nicht haben wollen pflastern jedenfalls von Anfang an seinen Weg. Und falls er jetzt doch mal aufmucken würde, erhielte er nicht nur den gefürchteten Liebesentzug von all seinen Ersatzpappis, er würde auch für ein neues Finanzdesaster verantwortlich gemacht und müsste seine Karriere vermögend, aber in Schande beenden. Einen „Fehler“ oder „Unvohersehbares“ dagegen wird ihm jeder verzeihen, der mit drin hängt. Also alle.

    http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCdiger_Grube
    http://www.stern.de/wirtschaft/news/unternehmen/nachfolger-von-mehdorn-der-neue-zugchef-662530.html

    Für die beteiligte Wirtschaft ist es eine Win-Win-Situatrion. Gelingt das Experiment, winken womöglich neue Milliardenaufträge weltweit. Und falls nicht, hat man immer noch das bislang Kassierte. Geht es schief, dürfte der Schaden so groß sein, dass ihn niemand bezahlen kann – außer dem Steuerzahler. Und dass Stuttgart als kommunales Wrack zurück bleibt – wen juckt’s? Fehler kommen halt vor.

    Mit dem wahrscheinlich eintretenden Schaden hat aber vermutlich auch konkret das derzeitige Verhalten aller Beteiligten zu tun: wer jetzt den ersten Schritt in Richtung Abbruch tut, kann am Ende als juristisch (und finanziell) Verantwortlicher dastehen. Weil das aber in jedem Fall der Steuerzahler sein soll, kann nur die Politik überhaupt an einen Ausstieg denken. Dann aber droht Schaden beim Wähler. Und deshalb können die Grünen realistischerweise nichts tun. Denn sonst wären sie neben dem Steuerzahler die zweiten Verlierer. Meine Vermutung: die hoffen und beten auf/ für Selbsterledigung durch Katastrophe. Eine hoffentlich nicht allzu große….

    Die SPD kann (und will) erst recht nichts tun. Angesichts des drohenden Exitus in BW ist der Wählerschaden längst eingetreten und die Funktionäre müssen sich die Chancen auf andere Pöstchen offen halten. Sie können es sich also weder mit der Wirtschaft noch mit der CDU verscherzen. Wer nix isch und wer nix kah, der goht heitzutag schließlich nemme zur Poscht und Eisabah – Ausnahmen bestätigen die Regel (s.o.)

    • seriousguy47 schreibt:

      Als kleine, aktuelle Illustration zum letzten Punkt meines Kommentars dies von Welt Online:

      „Bis zum Mai war Posch hessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung…. Als Wirtschaftsminister hatte der FDP-Politiker viel mit dem Genehmigungsverfahren für den Frankfurter Flughafen zu tun. Nach Ansicht seiner Kritiker erhält Posch für sein politisches Engagement zugunsten von Flughafen und Fluglinien einen nutzbringenden Dank: Vor wenigen Tagen berief der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) Posch zum Vorsitzenden einer Kommission, die ein nationales Luftverkehrskonzept erarbeiten soll….Matthias von Randow sieht das anders, naturgemäß, muss man sagen. Der BDL-Hauptgeschäftsführer hat sage und schreibe zehn Jahre im Bundesverkehrsministerium gearbeitet. Als Ziehsohn des kurzzeitigen Verkehrsministers Franz Müntefering (SPD) kam von Randow – Parteibuch: SPD, vorheriger Arbeitgeber: SPD – in das schwer zu führende Ministerium…..“

      http://www.welt.de/politik/deutschland/article111795510/Umstrittener-Wechsel-vom-Minister-zum-Lobbyisten.html

      Lektüre lohnt…..

  3. Ich will nicht unter die Erde! schreibt:

    Tja, wie hat man doch den Steuerzahlern vor einem Jahr Angst gemacht? Damit:
    „1, 5 Mrd. für nix!“
    Und die Steuerzahler haben überwiegend gekuscht und sind zu Kreuze gekrochen.
    Heute darf man laut sagen:
    „Über 5 Mrd. für noch noch weniger!“
    Und keinen der Steuerzahler juckt’s. Verdrehte Welt!

  4. Kornelia schreibt:

    Liebe Leute fallt nicht aud die seit Jahrzehnten volksversummende „die Steuerzahler“ Variante der FffDeePhhh rein… (mittlerweile von allen übernommen)…. damit konnten dann Kohl und seine FffDeePhhh immer denen da unten wenniger, damit die da mehr netto vom brutto….
    bezahlen tun es immer alle, ob unsere Enkel, unsere Kinder oder oma und opas…..
    lasst Euch immer immer wieder die wunderbare Rede vom Schramm hier in Schuttg… zur Gemüte führen: für Krankenhäuser und Schulen (und jetzt für das heimelige für das Olgäle ) wird immer gebettelt: für die Renovierung des Landtags NICHT!!!

  5. Joe schreibt:

    18 Monate haben die Gruenen Volksverdummer von der Bahn keine aktualisiette Kostenrechnung angefordert – jederzeit koennen die Gruenen auch außerplanmaeßig den Lenkungskreis einberufen…nichts ist passiert obwohl ALLE wissen dass der Kostendeckel laengst gesprengt ist.
    Die Bahn hat seit der Gruenen Regierungsuebernahme nur sinnlos zerstoert – nicht nur die 200 Plantanen, auch das H7, suedfluegel, alle baueme an der heilbronner, willy-brandt, schillerstrasse koennten noch stehen wenn die Gruenen dem waehlerauftrag gefolgt waeren.
    Die Finanzierung war zu keinem Zeitpunkt gesichert – erst recht nicht seit GruenRot — aber weiterzerstoert wurde trotzdem – so wie die Stuttgarter Rachejustiz weiter aburteilt (siehe stocker) und viele andere Schandurteile die an laengst ueberwundene Zeiten erinnern….
    Letztendlich wird ein Gericht das Land bzw die Projektpartner aus dem Finanzierungsvertrag zur Mitfinanzierung verurteilen – und als großer Demokrat wird Kretschmann – der ironischerweise in Absprache mit der SPD alle Rechtsfragen zu S21 nicht mehr verfolgen wird – natuerlich das Urteil eines Gerichts respektieren – wohlwollend aber kritisch versteht sich.

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