Mediale Überheblichkeit

Schon viel ist geschrieben worden über die sehr polemische, wenig sachliche, teilweilse auch schlicht falsche deutsche Berichterstattung über Griechenland. Doch die Polemik nimmt auch nach der Volksabstimmung kein Ende. Die Medien berichten weiterhin in unverhohlener Überheblichkeit über die Vorgänge in Griechenland. Gestern beispielsweise von Yannis Varoufakis‘ Rücktritt. Vor allem Spiegel Online, das meist gelesene Nachrichtenportal, schlägt einmal wieder kräftig zu. „Abschied eines Rechthabers“ oder auch: „Yannis Varoufakis‘ Abgang: Röhr!“ Das Motorrad muss ganz offensichtlich zahlreiche Medienvertreter stark gestört haben, als sagte das Fortbewegungsmittel etwas über die Politik und das politische Geschick einer Person aus. Andere Politiker inszenieren sich mit Ihrer PS-starken Riesenlimousine. Auch für faz.net ist das Motorrad wichtig: „Varoufakis braust davon.“ Und die Süddeutschen.de schreibt: „Hart wie ein Helm.“ Das ist alles bestes BILD-Niveau, die denn auch in dieselbe Kerbe schlägt: „Hier braust Varoufakis davon“. Für den SWR und den Baden-Württembergischen Finanz- und Wirtschaftsminister hat sich Varoufakis „als Gesprächspartner disqualifiziert“, die NZZ schreibt vom „Abgang eines Demagogen“ und die ZEIT erklärt ihn gar zum „Märtyrer“.

Das sind nur die Überschriften. In den Artikeln ist es aber nicht besser und viele Beiträge sind inhaltlich zumindest sehr fragwürdig. So schreibt SPON weiter: „Yanis Varoufakis hätte die Chance gehabt, Europa von einem dringend benötigten Schuldenschnitt für Griechenland zu überzeugen. Dabei stand er sich selbst im Weg.“ Hier wird noch einmal kräftig nachgetreten, denn welche Chance wurde Varoufakis überhaupt von den Geldgebern gegeben? Ein Schuldenschnitt stand für diese niemals zur Diskussion – und ob überhaupt jemand den selbstgerechten Herrn Schäuble von irgendetwas anderem als seiner eigenen Meinung überzeugen könnte, ist durchaus fraglich. Ähnlich wie SPON urteilt die ZEIT: „Als Finanzminister hat Yanis Varoufakis den Bankrott seines Landes nicht verhindert. Für viele Griechen ist er trotzdem kein gescheiterter Politiker, sondern ein Held.“ Auch hier fragt man sich, was das heißen soll, denn de facto ist Griechenland seit Jahren bankrott und wird nur künstlich am Leben erhalten. Das konnte Varoufakis gar nicht verhindern, weil der Bankrott nicht erst in den letzten fünf Monaten geschehen ist.

Doch auch nach Varoufakis Weggang wird die Polemik nicht geringer. Sueddeutsche.de titelt über den Neuen: „Marxist Tsakalotos wird neuer Finanzminister“. Und Spiegel Online schreibt heute:“Tsipras macht plötzlich auf Staatsmann“.

Diese Unsachlichkeit, diese Polemik und diese Überheblichkeit der deutschen Medien macht immer wieder sprachlos. Anstatt sachlich aufzuklären, werden hier suggestive Bilder gemalt und Vorurteile gepflegt, die mit sachlichem Journalismus schon längst nichts mehr zu tun haben. Erschreckend ist, dass dieser Virus nahezu alle Medien ergriffen hat. Und selbst wenn sachliche Aufklärung geschieht, heißt das nicht, dass diese sogar im selben Medium irgendetwas bewirkt. So hat die ARD in der letzten Monitor-Sendung wunderbar sachlich die Situation in Griechenland und die Lügen, die über Griechenland und vor allem über die griechische Regierung verbreitet wurden, aufgearbeitet. Doch das ist Monitor, nicht die ARD. Siegmund Gottlieb und viele andere dürfen dennoch weiterhin eben diese Lügen in der ARD zur besten Sendezeit verbreiten und die geliebten Vorurteile pflegen – so als ob der Bericht in Monitor die restliche ARD überhaupt nicht beträfe. Was hat das noch mit Journalismus zu tun?

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6 Antworten zu Mediale Überheblichkeit

  1. Fred Heine schreibt:

    Zwuckelmann, nicht auf die Linkspropaganda reinfallen! Zum Beispiel beim Thema Schuldenschnitt: Jeder weiß, dass Griechenland einen Schuldenschnitt braucht – aber nicht jetzt! Und ihn auch bekommen wird – aber auch nicht jetzt! Wieos sind die Griechen so versessen auf einen Schuldenschnitt, wenn er Schulden betrifft, die erst in fünf Jahren moderat verzinst und getilgt werden? Ganz offensichtlich, um sich schnellstmöglich wieder neues Geld leihen zu können. Das ist der einzige Grund!
    Zweitens: wieso liefert Griechenland keinerlei tragfähige Vorschläge bzw. ein Konzept, wie dem Land wieder auf die Beine geholfen werden kann? Die ganzen Troika-Vorschläge gibt es nur deshalb, weil auch die Vorgängerregierungen völlig unfähig waren, eigene Ideen zu bringen bzw. diese ggf. auch durchzusetzen.
    Dass Griechenland im Jahr 2015 immer noch kein Kataster hat, sagt im Prinzip alles. Eine Wirtschaft ohne Kataster hat in einer modernen Staatengemeinschaft eigentlich nichts zu suchen.

  2. Pingback: Presse oder PR-Kampagne

  3. walterfriedmann schreibt:

    Hat dies auf Forum Politik rebloggt und kommentierte:
    Mediale Überheblichkeit

  4. geno schreibt:

    angela merkel: “wo ein wille ist, ist auch ein weg!” es könnte alles so einfach sein, mit dem richtigen willen und dem richtigen weg. wären da nicht die perspektivlosen, kleinkarierten und parteipolitischen positionen der eu-staatschefs um angela merkel mit deren angst vor den “neuen linken” in europa. aber gerade jetzt braucht es mutige minderheiten-gruppen die in europa für freiheit, zukunftstauglichkeit, bürgernähe und demokratie kämpfen.

    wer sein wissen aus der bildzeitung, den teletubbies (wolfgang bosbach, hans-werner sinn und volker kauder) oder vom schwäbischen schlaumeier wolfgang schäuble bezieht braucht sich über seine schleichende verblödung nicht zu wundern. die berichterstattung in deutschland ist (im gegensatz zu den internationalen medien) einseitig, wenn es um die neue griechische regierung geht. diese medien werden nicht müde die griechische regierung zu diskreditieren und einen grexit herbeizureden. “wir werden unsere gelder von den faulen griechen nie zurück bekommen!” natürlich nicht, wir haben griechenland auch nie gelder überwiesen. die kredite kamen von der geldpresse.
    mehr hierzu: https://campogeno.wordpress.com/2015/07/07/griechenland-die-risikolose-umschuldung/

  5. RaGDoku schreibt:

    Hallo Zwuckelmann,

    ich weis nicht, was ich von der aktuellen griechischen Regierung halten soll. Ich weis aber auch nicht, was ich von den anderen Verhandlungspartnern halten soll. Da ist mir von allen Seiten viel zu viel Propaganda dabei, sowohl von Seiten der Gläubiger, als auch auf Seiten der griechischen Regierung. Ich habe bisher nur wenige Erkenntnisse gewonnen:
    – Beide Seiten pokern in den Verhandlungen mit extrem hohem Einsatz.
    – Die Propaganda war zumindest bis kurz nach der Abstimmung einfach nur unterirdisch.
    – Die Griechen haben eine sehr mutige Entscheidung gefällt.
    – Du hast nicht erwähnt, dass es durchaus auch andere Stimmen (Artikel) gab.
    – Die Griechen haben weit über ihre Verhältnisse gelebt und müssen so oder so noch einiges Durchstehen.
    – Ich bin immer noch der Meinung, dass ein Grexit und Ausstieg aus dem Euro gleich am Anfang die bessere Entscheidung gewesen wäre.
    – Du hast nicht erkannt oder erwähnt, dass die PR Kampagne gegen Griechenland seit dem OXI der Griechen am Rande des Zusammenbruchs steht. Während Gabriel noch die altbekannten Sprüche verbreitete, schlug selbst Schäuble schon fast sanfte Töne an. Ein PR-Desaster, weil niemand damit gerechnet hatte, dass Tispras Propaganda in Griechenland besser wirkt, als die der Gläubiger.

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