8.2.2012 #s21 Provokation, nicht Notwendigkeit #sf21 #s9000 #cams21

In den kommenden Tagen möchte die Bahn in Rücksprache mit der Polizei mit der „Freimachung des Baufelds“ für den Bahnhofstrog beginnen – was auf gut Deutsch bedeutet, dass der mittlere Schlossgarten geräumt und über 200 teilweise mehrere Hundert Jahre alte Bäume gefällt werden. Dies ist ein wichtiger Schritt für die Projektbefürworter, der mithin heikelste für die Polizei und der niederschmetterndste für die Gegner von Stuttgart21 – zumal die Parkschützer, eine der aktivsten und buntesten Widerstandsgruppen, sich auf die Fahnen geschrieben haben, den Park zu schützen. Wenn der Park nicht mehr existiert, gibt es auch nichts mehr zu schützen, so dass ein wichtiger Teil des Widerstands seiner Existenzgrundlage beraubt würde – so das Kalkül der Bahn. Mit der Baufeldfreimachung wird gleichzeitig suggeriert, dass das Projekt nun so richtig starten könne.

Bis zum Start der tatsächlichen Bauarbeiten gibt es für die Bahn aber noch viele Hürden zu nehmen und es wird noch viel Wasser durch den Nesenbachkanal fließen, bevor überhaupt mit den ersten Tiefbauarbeiten begonnen werden kann. Zwei Planänderungsverfahren sind aktuell noch beim Eisenbahnbundesamt anhängig und sollen laut Bahn in der ersten Jahreshälfte 2012 entschieden werden: das eine betrifft die Zusammenlegung mehrerer dezentraler Aufbereitungsanlagen zu einer großen Anlage (weswegen es den derzeitigen Baustopp am GWM gibt), das zweite Verfahren betrifft die zusätzliche Entnahmemenge von ursprünglich 3 Mio. Kubikmeter auf 6,8 und nun auf eine noch höhere, nicht weiter benannte Menge – wahrscheinlich verbunden mit einer Vergrößerung der jetzigen Anlage auf das Gebiet des Südflügels. Mit der Genehmigung der Planänderungen würde dann auch der Baustopp am Grundwassermanagement aufgehoben. Erst wenn das Grundwassermanagement komplett steht und einige wenige Wochen getestet wurde, können Bauwerke wie das unterirdische Technikgebäude am ehemaligen Nordflügel, der Nesenbachdüker am Katharina Stift, der Bautrog selbst, aber auch die Tunnel Richtung Flughafenbahnhof begonnen werden, da sie alle tief in das Grundwasser hinein reichen.

Ist die „Baufeldfreimachung“ zum aktuellen Zeitpunkt also eine planerische Notwendigkeit für den Fortgang des Projekts oder eine mehr oder weniger provokative und faktenschaffende Maßnahme zur Schwächung des Widerstands? In Anbetracht der aktuellen Lage mit den anhängigen Planänderungen und den bisher aufgelaufenen Verzögerungen bei der Vergabe von Tiefbauarbeiten geht das Kommunikationsbüro für Stuttgart21 selbst davon aus, dass die Bahn mit den relevanten Arbeiten voraussichtlich erst im Oktober 2012 beginnen kann. Bis dahin können höchstens bauvorbereitende Maßnahmen an der Oberfläche durchgeführt werden. Die Bäume im mittleren Schlossgarten werden also jetzt im Februar gefällt und bis Oktober, dem Beginn der nächsten vegetationsfreien Periode, wird dort nichts weiter passieren. Vor diesem Hintergrund liegt der Verdacht nahe, dass die Bahn und auch die anderen Projektbeteiligten wie Stadt und Land mit der Räumung des Schlossgartens und der Fällung der Bäume schlichtweg Fakten schaffen wollen, ohne dass eine projektbezogene Notwendigkeit besteht. Es soll mit Billigung der Politik und unter Zuhilfenahme der Polizei ein weithin sichtbares, nicht zu revidierendes Zeichen gesetzt werden, um die Bürgerbewegung gegen Stuttgart21 endgültig zu schwächen. Ob dies gelingt, ist alles andere als sicher. Für den Projektfortschritt ist eine Fällung zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls absolut nicht notwendig.

Oben bleiben!

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10 Antworten zu 8.2.2012 #s21 Provokation, nicht Notwendigkeit #sf21 #s9000 #cams21

  1. Arno Nühm schreibt:

    Gut erkannt, so ist es. Was würden Sie, Dominik, an Stelle der Bahn machen…?

  2. Onkel Teddy schreibt:

    Tja, das ist eine höchst scharfsinnige Frage. Aber die Antwort ist babyeierleicht: Was geht mich/Zwuckelmann/uns die Bahn an?

  3. Arno Nühm schreibt:

    @Onkel Teddy: Und genau da zeigt sich der Widerstand, weil er nur an sich denkt und nicht an Andere und sich z.B. mal in die Lage des Anderen zu versetzen versucht.

  4. Zwuckelmann schreibt:

    @Arno: ich finde es ehrlichgesagt schändlich, ohne Not den Innenstadtbewohnern von Stuttgart einen großen Teil ihres Naherholungsgebiets zu nehmen. Den gesamten Sommer über wird keine relevante Baustelle im mittleren Schlossgarten eingerichtet werden – anstatt den Park so lange wie möglich den Parknutzern zu überlassen, erschafft die Bahn nun eine riesige Brache mitten in der Stadt.Ich wohne nah am Schlossgarten, bin im Sommer täglich dort und würde mich freuen, ihn so lange wie möglich und gerade auch im Sommer nutzen zu können.Übrigens ist es meines Wissens sogar verboten, für Baustellen weit vor Notwendigkeit Fakten und unnötige Brachen zu schaffen.Und Arno: überlegen Sie mal scharf, wer hier nicht an andere denkt!

  5. Zwuckelmann schreibt:

    @Arno: ich finde es ehrlichgesagt schändlich, ohne Not den Innenstadtbewohnern von Stuttgart einen großen Teil ihres Naherholungsgebiets zu nehmen. Den gesamten Sommer über wird keine relevante Baustelle im mittleren Schlossgarten eingerichtet werden – anstatt den Park so lange wie möglich den Parknutzern zu überlassen, erschafft die Bahn nun eine riesige Brache mitten in der Stadt.Ich wohne nah am Schlossgarten, bin im Sommer täglich dort und würde mich freuen, ihn so lange wie möglich und gerade auch im Sommer nutzen zu können.Übrigens ist es meines Wissens sogar verboten, für Baustellen weit vor Notwendigkeit Fakten und unnötige Brachen zu schaffen.Und Arno: überlegen Sie mal scharf, wer hier nicht an andere denkt!

  6. Arno Nühm schreibt:

    Sollte die Bahn schon Arbeiten auf der freigemachten Fläche vor Oktober ausführen können, wäre die Baufeldräumung dann aus Ihrer Sicht ok?

  7. Zwuckelmann schreibt:

    @Arno: Sie sind witzig! Natürlich nicht! Aber erst recht nicht ein halbes Jahr vor Notwendigkeit.

  8. Arno Nühm schreibt:

    Dann argumentieren Sie aber falsch! Wenn Sie sagen würden, „ich bin immer dagegen“ wäre das ok. Aber Sie bringen immer Scheinargumente.

  9. Zwuckelmann schreibt:

    @Arno: vielen Dank für diese Belehrung! Differenzierung war Ihre Stärke noch nie. Das liebe ich an Euch: vorhin auf dem Weg zur Arbeit kam mir ein sehr fülliger, großer Mann entgegen mit oldfashioned Anzug, roter Krawatte, großer Goldrandbrille und mit großem Proler-Button auf dem Mantel – der sah so richtig selbstgefällig und besserwisserisch aus, in meinen Augen der Prototyp eines Befürworters. #nurmalso

  10. Onkel Teddy schreibt:

    Na, Armer Nühm, Sie machen es sich aber arg einfach. Mit Ihrem Bonmot – entschuldigen Sie, anders kann ich Ihre Wortmeldung nicht mehr nennen – „…da zeigt sich der Widerstand, weil er nur an sich denkt und nicht an Andere und sich z.B. mal in die Lage des Anderen zu versetzen versucht “ zeigen Sie uns allen deutlich, wes Geistes Kind Sie sind. Verraten Sie uns mal, wann und unter welchen Bedingungen Sie DIESE Frage an Herrn Grube, Herrn Schuster und etliche andere Stadtzerstörer mehr gestellt haben?Vielleicht ist es aber viel einfacher für Sie, hier mal aufzudröseln, warum nur die Gegner sich an Ihre Vorstellungen von Legalität und Demokratie halten sollen. Damit meine ich an Vernunft, Anstand, Vernunft, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, … Alles Werte, die bei diesem Projekt nicht vorhanden sind und nie dagewesen sind. Hier ein unterfütterndes Zitat von Heinz Dürr, ehemals 1. Präsident der Deutschen Bundesbahn: „Die Art der Präsentation im April 1994 war ein überfallartiger Vorgang: Gegner und Skeptiker sind nicht im Stande gewesen, die Sache zu zerreden. Ein Musterbeispiel, wie man solche Großprojekte vorstellen muss.“Und Sie, armer Nühm, kommen uns daher mit dem Vorschlag, uns in die Lage von anderen zu versetzen?

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